Das Wunder von 1994 2.0?
- Für diese Woche erwarten wir zwar weitere Zinserhöhungen in den USA, in Großbritannien und im Euroraum, gehen aber nicht davon aus, dass sich die Rhetorik der Zentralbanken ändert.
- Wir haben genau untersucht, wie wahrscheinlich es ist, dass sich die „rezessionsfreie“ Straffung des Jahres 1994 wiederholt. Und wir sind nicht optimistisch.
Heute beginnt eine „Woche der Zentralbanken“. Die Fed, die EZB und die Bank of England treffen sich zum Zinsentscheid. Letzte Woche beschloss die Bank of Canada, den Trend zu brechen – die Optimisten würden sagen, ihm vorzugreifen. Sie kündigte an, nach ihrer Zinserhöhung um 25 Basispunkte eine Pause einzulegen, obwohl die Inflation in Kanada bislang nur zaghaft zurückgeht. Für die Märkte ist es verlockend, in diese Entscheidung den Vorboten für die Zinswende anderer Zentralbanken hineinzulesen. Wir meinen, dass dafür die Zeit noch nicht gekommen ist.
Tatsächlich erwarten wir von der Fed in dieser Woche eine Zinserhöhung um nur 25 Basispunkte, aber ihre Rhetorik bestätigt weiterhin, frühestens im 2. Quartal zu pausieren. Und bei der EZB ist zurzeit nichts unwahrscheinlicher, als dass sie der kanadischen Zentralbank folgt. Aus unserer Sicht wird sie ihre Zinsen nicht nur diese Woche stärker anheben als die Fed, sondern auch im März. Das würde die jüngste Aufwertung des Euro festigen. Die Bank of England ist – schon wieder – in einer schwierigen Lage. Der noch immer enge Arbeitsmarkt bei zugleich unerwartet hoher Kerninflation erfordert eigentlich eine Zinserhöhung um 50 Basispunkte, wozu es aus unserer Sicht auch kommen dürfte. Allerdings fürchtet der geldpolitische Ausschuss eindeutig eine zu starke Straffung.
Bislang hat die Realwirtschaft die lange Reihe der Zinserhöhungen gut verkraftet, so gut, dass die Aktienmärkte vielleicht auf eine Wiederholung des „Wunders von 1994“ setzen, als erstmals seit den frühen 1960er-Jahren ein Straffungszyklus der Fed keinerlei Rückgang des US-BIP auslöste. Abgesehen davon, dass die US-Notenbank ihre Zinsen schon jetzt stärker angehoben hat als 1994, ist die Wirtschaft heute höher verschuldet als damals. Außerdem hatte die Fed 1994 auf eine „theoretische Inflation“ reagiert: Die Gewinnmargen der Unternehmen waren nicht gesunken, und die Kaufkraft der Privathaushalte war intakt. Hinzu kommt, dass die Angebotssituation damals viel günstiger war. In der ersten Hälfte der 1990er-Jahre wuchs die Erwerbsbevölkerung viel schneller als heute. Zugleich dürften durch den Beginn der Globalisierung die Lebensgeister geweckt worden sein, was sich in den USA ganz konkret in der Gründung der NAFTA niederschlug. Die bislang noch zu beobachtende Stabilität der Wirtschaft ist eine gute Sache, aber wir zweifeln noch immer daran, dass sie von Dauer sein wird, vor allem, weil die Zentralbanken „noch nicht fertig“ sind.
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