Comeback des Westens?
Im Überblick
- „Der Westen ist zurück“ – so lässt sich die Abschlusserklärung des G7-Treffens zusammenfassen, auch wenn die Umsetzung der Pläne wohl noch Zeit braucht. Damit dieser Cornwall-Konsens mit seinem Schwerpunkt auf aktiver Wirtschaftspolitik Wirkung zeigt, dürfen die Notenbanken aber nicht auf die Bremse treten. Wir befassen uns ausführlich mit den aktuellen US-Inflationszahlen und analysieren, ob die Fed weiter abwarten kann, so wie die Europäische Zentralbank letzte Woche.
Seit dem G7-Treffen letzte Woche ist die populistische Trump-Ära endgültig vorbei. Schnell kritisierten Beobachter den Mangel an konkreten Vereinbarungen. Aber selbst erfolgreiche G7-Treffen geben oft nur den Ton und die allgemeine Richtung der Politik vor, statt sofort umsetzbare Vereinbarungen zu liefern. Der Geist von Cornwall war – in US-Terminologie – „liberal“ bis „progressiv“. Wie erwartet ging es viel um Corona, aber auch um Klimaschutz, freien und fairen Welthandel sowie „inklusives Wachstum“. Unabhängig von ihrem politischen Lager hielten die Staats- und Regierungschefs diese Themen für besonders wichtig. In der Wirtschaftspolitik scheint man jetzt wieder ganz auf den Keynesianismus zu setzen. Der Westen ist sich heute einiger und kann seine Werte aufgrund der wieder engeren Zusammenarbeit besser auf der Weltbühne vertreten als in den letzten Jahren. Bei vielen Themen müssen aber erst noch die übrigen G20-Länder überzeugt werden. So gesehen ist China die große Unbekannte. Die Äußerungen zu China waren „scharf“, doch verzichtete man auf konkrete Ankündigungen. Auch wenn sich die USA unter Biden und Europa hier wieder angenähert haben, gibt es weiter große Unterschiede im Detail. Ideologisch ist sich der Westen wieder einig, doch bleibt offen, ob seine Finanzkraft reicht, um weltweit die Oberhand zu behalten. Nach Corona sind die G7-Länder hoch verschuldet, und ihre innenpolitischen Probleme sind groß. China hat hingegen viel geld- und fiskalpolitischen Spielraum.
Damit der Cornwall-Konsens Wirkung zeigt, dürfen die Notenbanken nicht gezwungen sein, auf die Bremse zu treten. Beruhigend ist, dass der erneute starke Anstieg der US-Inflation die Märkte kaltlässt. Hilfreich ist sicher, dass man den Verbraucherpreisanstieg leicht mit sektorspezifischen Faktoren erklären kann, die keine allgemeine Überhitzung der Wirtschaft befürchten lassen. Einstweilen kann die Fed deshalb abwarten. In den nächsten Monaten achten wir genau auf ein mögliches Übergreifen auf andere Konsumgüter, doch hat sich an unserem Basisszenario nichts geändert. Zwar dürfte die Inflation in nächster Zeit kaum wieder so niedrig sein wie vor Corona (was gut wäre), doch haben wir keinen Zweifel, dass die hohe Teuerung vorübergehend ist.
Auch die EZB hat letzte Woche erst einmal abgewartet und erwartungsgemäß keinerlei Hinweise zum zukünftigen Anleihekaufvolumen gegeben. In der optimistischeren Konjunkturprognose der Notenbank sehen wir keinen Hinweis auf eine straffere Geldpolitik. Entscheidend ist, dass die EZB in dem für ihre Geldpolitik relevanten Zeitraum noch immer mit einer Kernrate deutlich unter ihren schon vor Corona sehr niedrigen Inflationserwartungen rechnet.
Rechtliche Hinweise
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