Die Stunde der Wahrheit schlägt schon früher
- Für das EZB-Antifragmentierungsprogramm brechen schwere Zeiten an, weil die Krise in Italien wichtige Instrumente auf die Probe stellen könnte.
- In den USA hat der Markt schon die Zeit nach den Zinserhöhungen im Blick.
Am Donnerstag wird es die EZB nicht leicht haben. Die Zinsentscheidung selbst – 25 Basispunkte mehr – wurde schon im Juni bekannt. Äußerungen aus dem EZB-Rat sprechen nicht gerade für einen größeren Zinsschritt, auf den wir wohl bis September warten müssen. Die Notenbank dürfte aber Einzelheiten ihres Antifragmentierungsprogramms vorstellen – und das ausgerechnet jetzt, wo die Rückkehr der politischen Instabilität den italienischen Länderspread drastisch steigen lässt. Das neue Programm könnte daher unerwartet früh auf die Probe gestellt werden. Das politische Drama in Italien wirft mindestens zwei wichtige Fragen auf: Kann man sich wirklich mit „milden Bedingungen“ begnügen? Und was genau sind die „richtigen Umstände“, unter denen das Programm zum Einsatz kommt? Tatsächlich haben manche der Auseinandersetzungen, die der Koalition in Rom zurzeit so große Probleme bereiten, etwas mit den Reformen im Zuge des EU-Wiederaufbauprogramms zu tun, das ähnlich „milde Bedingungen“ enthält. Und überhaupt: Darf die EZB gegen eine Spreadausweitung vorgehen, wenn ihre Ursache ein höheres Länderrisiko durch innenpolitische Entscheidungen ist? Wir fürchten, dass die Ergebnisse von Donnerstag viel zu vage sein werden. Vielleicht sind sie auch nicht weitreichend genug, um dem Markt zu signalisieren, dass zur Stärkung des italienischen Anleihenmarktes alles in Marsch gesetzt wird.
Unterdessen scheinen die USA von einem Inflationsmaximum noch weit entfernt, vor allem bei der Kernrate. Natürlich können die risikolosen Zinsen weiter fallen, doch achten die Investoren schon jetzt auf die mittelfristige Konsequenz der Geldpolitik: ein hohes Rezessionsrisiko, das letztlich Zinssenkungen erfordert. Am Markt wie bei den privaten Haushalten gehen die Inflationserwartungen zurück; die Glaubwürdigkeit der Fed hat offensichtlich noch keinen Schaden genommen. Voraussetzung für eine glaubwürdige Geldpolitik ist aber, dass die Leitzinsen jetzt rasch mehrfach erhöht werden. Die Inflationserwartungen und die trotz des jüngsten Rückgangs der risikolosen Zinsen noch immer straffen Finanzbedingungen für Unternehmen dürften zunächst gegen radikale Maßnahmen sprechen. Die Fed dürfte kaum die Bank of Canada kopieren, die ihren Leitzins letzte Woche um 100 Basispunkte angehoben hat. Noch vor wenigen Monaten schienen selbst 75 Basispunkte undenkbar. Vielleicht ist es klug, sie nicht zu überschreiten.
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