Ist Sisyphus glücklich?
Im Überblick
HINWEIS: Die nächste Ausgabe von Macrocast erscheint am 30. August. Wir wünschen unseren Lesern einen schönen Sommer.
- Wir analysieren die jüngste Fortsetzung des Dramas um die Schuldengrenze in den USA, die Ausbreitung der Delta-Variante und die neue Forward Guidance der Europäischen Zentralbank (EZB).
Vor der diesjährigen Sommerpause werfen wir einen Blick zurück auf unseren Macrocast von vor genau einem Jahr. Damals ging es um das Wiederaufflammen von Corona und den Streit um die US-Haushaltspolitik. Heute erleben wir ein Déjà-vu. Aber das bedeutet nicht, dass die Weltwirtschaft keine Fortschritte macht.
Wir haben keinen Zweifel daran, wie der Streit um die Schuldengrenze in den USA am Ende gelöst wird. Vielleicht braucht es noch etwas Zeit. Den Republikanern wäre es recht, wenn die Demokraten allein die Anhebung der Obergrenze durchsetzten. Sie könnten sie dann vor den Zwischenwahlen als unsolide Finanzpolitiker brandmarken. Die Demokraten wiederum möchten dann unbedingt alle wissen lassen, dass sie zu einem Alleingang gezwungen wurden, um eine wirtschaftliche Katastrophe zu verhindern. An den Märkten findet man all das aber wohl reichlich langweilig. Eigentlich sollte ein solcher Streit ja die Risikoprämien von US-Staatsanleihen steigen lassen. Andererseits könnte aber die Aussetzung von US-Anleihenemissionen für mehrere Wochen amerikanische Staatsanleihen noch knapper machen. Da die Nachfrage hoch ist, könnten die US-Renditen dann sogar vorübergehend niedriger sein, als es fundamental angemessen wäre.
Natürlich ist die Ausbreitung der Delta-Variante ein großes Risiko für den Neustart unserer Volkswirtschaften. Durchaus beruhigend ist aber, dass die Einschränkungen an den individuellen Impfstatus gekoppelt werden sollen. Wenn auf Kontaktbeschränkungen für voll Geimpfte verzichtet wird, kämen die von der Pandemie ohnehin schon stark gebeutelten Dienstleistungsbranchen ohne neue Generalverbote aus. Die wirtschaftlichen Schäden der Coronawellen wurden in den Industrieländern von Mal zu Mal kleiner. So könnte es auch diesmal sein, auch wenn Delta nicht spurlos an uns vorübergehen wird.
Dennoch wird es auch in Zukunft nicht ohne eine sehr expansive Geld- und Fiskalpolitik gehen. Die jüngsten Äußerungen der EZB stellten noch mehr Hilfen in Aussicht, als wir vermuteten. Die Notenbank ließ keinen Zweifel daran, dass die Geldpolitik noch länger sehr expansiv bleiben soll. Eine Aufstockung der Maßnahmen ist allerdings nicht geplant. Vermutlich wird es der EZB schwerer fallen als der Fed, ihr jetzt ehrgeizigeres Inflationsziel zu erfüllen.
Notenbanken und Marktteilnehmer haben 18 Monate nach Beginn der Pandemie also noch immer mit den gleichen Problemen zu tun. Wie sagte Albert Camus? „Wir müssen uns Sisyphus als einen glücklichen Menschen vorstellen.“
Rechtliche Hinweise
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