Sollten Investoren jetzt ihre Einstellung zu den Emerging Markets überdenken?
Viele Anleger haben die Emerging Markets, die eigentlich als enorm chancenreich gelten, aus dem Blickfeld verloren. Dafür gibt es mehrere Gründe, unter anderem die weithin bekannte Immobilienkrise in China und die Bedenken, dass die Geldpolitik in den USA noch straffer werden könnte. Sie haben dafür gesorgt, dass Geldmarktanlagen an Attraktivität gewonnen haben.
Jetzt steigen die Märkte und das Konjunkturumfeld wird besser. Außerdem besteht die Aussicht auf fallende US-Zinsen. Vielleicht sollten Investoren das Potenzial der Emerging Markets wiederentdecken.
Es gibt zahllose Gründe, langfristig auf Schwellenländer zu setzen (darunter viele wirtschaftliche Vorteile und die demografische Dividende). Sie sind maßgeblich für das Weltwirtschaftswachstum. 2023 hatten sie 50,1% Anteil am Welt-BIP, und in den vorangehenden zehn Jahren waren 66,7% des Weltwirtschaftswachstum ihnen zu verdanken.1
Hinzu kommt, dass ihre Industrialisierung schnell voranschreitet, sie die Mehrheit der Weltbevölkerung stellen, ihre Erwerbsbevölkerung jung ist – so sind 40% der Einwohner Indiens unter 25 – und ihre Mittelklasse rasch wächst.2 Nach einer Analyse werden 2030 die meisten Verbraucher in den Emerging Markets (75%) zwischen 15 und 34 Jahren alt, zuversichtlich für die wirtschaftliche Entwicklung sein und Geld ausgeben wollen.3
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Straffere Geldpolitik
Anlagen in die Emerging Markets galten schon immer als mit hohen Risiken und hohen Erträgen verbunden.
Zu den Herausforderungen, die man in der Regel mit ihnen verbindet, zählen politische – häufig auch geopolitische – Unsicherheit und eine weniger transparente Unternehmensberichterstattung als in den Industrieländern.
In letzter Zeit haben geopolitische Risiken und vor allem der enorme Anstieg der US-Zinsen die Emerging Markets belastet. Der stärkere US-Dollar hat die Verschuldung in die Höhe getrieben, und auch das schwache Weltwirtschaftswachstum hatte Folgen.
Die Wende
Aber ein klares Zeichen für eine mögliche Erholung nach mehreren schwierigen Jahren ist, dass die Investmenterträge zuletzt wieder näher an denen der Industrieländer lagen. Seit Jahresanfang ist der JP Morgan Emerging Markets External Sovereign Bond Index um 4% gestiegen. Der MSCI Emerging Markets Index hat in diesem Zeitraum 9% zugelegt, der MSCI World um 12%. Der ICE BofA Global Government Bond Index entwickelte sich dagegen seitwärts.4
Die jüngsten Erfolge der Emerging Markets sind einigen günstigen Entwicklungen zu verdanken,
beispielsweise dem (mit Ausnahme von China) stabilen Wachstum weltweit. Der Internationale Währungsfonds (IWF) geht davon aus, dass die Emerging Markets und die Industrieländer ab jetzt gleich stark wachsen (4,3% sowohl 2024 als auch 2025). Zuvor hatte er mit nur 4,2% gerechnet. Begründet hat er seine jetzt bessere Einschätzung mit dem „Anziehen der Wirtschaftstätigkeit in Asien, vor allem in China und Indien“.5
Die Umsätze von Unternehmen in Ländern wie Indien, China, Indonesien, Mexiko und Saudi-Arabien steigen für gewöhnlich, wenn die Industrieländer stark wachsen. Das ist nicht nur gut für die Binnenwirtschaft dieser Länder, sondern fördert auch Investitionen in ihre Aktien und Unternehmensanleihen.
Der IWF hat herausgefunden, dass 2023 die Nettomittelzuflüsse in die Emerging Markets (ohne China) ausgehend von ihrem Tiefstand nach der Pandemie auf 110 Milliarden US-Dollar gestiegen sind. Das entspricht 0,6% des BIP und ist der höchste Wert seit 2018.6
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Verbreitung von Megatrends
Megatrends wie die Dekarbonisierung, technologische Innovationen und der Vormarsch der künstlichen Intelligenz (KI) sorgen ebenfalls für mehr Wachstum.
Beispielsweise ist in China der Absatz von Elektrofahrzeugen von 1,3 Millionen im Jahr 2021 auf 6,8 Millionen im Jahr 2022 gestiegen. Das ist mehr als ein Drittel des Weltabsatzes von Elektrofahrzeugen in diesem Jahr.7
Die Nachfrage nach Metallen wie Kupfer und Nickel – wichtige Komponenten für saubere Energie und die Infrastruktur für Elektrofahrzeug – dürften stärker nachgefragt werden, weil die Welt Netto-Null anstrebt. Mehr als ein Drittel der weltweiten Kupferproduktion findet in Chile und Peru statt; zwei Drittel des Nickels kommen aus Indonesien, den Philippinen und Russland.8
Auch die Verbreitung von KI wird zur steigenden Produktivität und grundlegenden Veränderungen in zahlreichen Branchen in den Emerging Markets beitragen.
Bessere Finanzen
Die meisten Emerging Markets haben die weltweite Straffung der Geldpolitik recht gut verkraftet. Zu verdanken ist dies zum großen Teil den Maßnahmen zu Verbesserung und Reformierung ihrer Finanzinstitute. Jetzt profitieren viele Länder von strengeren Vorschriften und finanziellen Rahmenbedingungen, vor allem Argentinien, Ägypten, Ghana und Pakistan.
In den letzten Monaten haben Ratingagenturen wie S&P Global und Fitch mehr Länder herauf- als herabgestuft. Dies spiegelt die besseren Aussichten für die Weltwirtschaft, aber auch erfolgreiche Restrukturierungsprogramme wider, die häufig mit Unterstützung des IWF durchgeführt wurden.
Auch der Beginn eines Zinssenkungszyklus in den USA dürfte den Emerging Markets zugutekommen. Der US-Dollar dürfte abwerten, sodass die Zentralbanken der Emerging Markets ihre Geldpolitik wieder lockern können. Zugleich steigt mit den fallenden US-Zinsen die Chance auf Investmenterträge in den Schwellenländern.
In diesem Zusammenhang ist interessant, dass der MSCI Emerging Market Index ähnlich (fair) bewertet ist wie die Indizes in Europa und nicht so hoch bewertet wie die technologielastigen US-Indizes. Und die Konsensschätzungen der Aktienanalysten belaufen sich zurzeit auf ein Unternehmensgewinnwachstum in den Emerging Markets von 18% in den nächsten 12 Monaten.9
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Aber nach wie vor bestehen Herausforderungen.
In einigen Emerging Markets wurde bereits gewählt, darunter Indien, Südafrika und Mexiko. Bislang haben noch keine politischen Richtungswechsel stattgefunden, aber die US-Wahl wird für die Schwellenländer entscheidend sein, weil eine zweite Präsidentschaft von Donald Trump mit einer erneuten protektionistischen Handelspolitik einhergehen würde. Sie würde sich vor allem gegen China richten, könnte über Lieferketten aber auch auf andere Emerging Markets übergreifen.
Ein weiteres Risiko sind die geopolitischen Spannungen, die sich angesichts der Konflikte zwischen China und Taiwan sowie im Nahen Osten weiter verschärfen könnten.
Auch die Staatsfinanzen bleiben ein Problem, insbesondere in Subsahara-Afrika und Lateinamerika. Langfristig kommen Klimarisiken hinzu. Die Folgen des Klimawandels könnten die Landwirtschaft, den Handel und die Kommunen belasten.
Aber die Schwellenländer haben schon heute deutlich mehr als 50% Anteil an der Weltwirtschaft, und dieser Anteil wird im Zuge der Entwicklungen bei der Dekarbonisierung und der Technologie auf jeden Fall steigen.
Genau jetzt finden sich zahlreiche Chancen: Weil die Emerging Markets zuletzt von vielen gemieden wurden, bieten sie möglicherweise Aussicht auf solide langfristige Investmenterträge.
Rechtliche Hinweise