Value ist zurück: Multi-Factor wird seinem Namen wieder gerecht
Die lange Leidenszeit ist vorbei. Aber ganz wollen es Faktorinvestoren noch nicht glauben: Value ist zurück. 2020 war für Substanzwerte das schlechteste Jahr aller Zeiten. Im 1. Quartal 2021 erzielte der Value-Faktor aber den höchsten Ertrag seit 1943, sodass er in der ersten Jahreshälfte 2021 im Plus liegt.1
Nach einer derart starken Faktorrotation wollen Investoren natürlich wissen, wie es weitergeht, und ihre Portfolios entsprechend positionieren. Wir halten es mit Churchill, der sagte: „Je weiter man in die Vergangenheit blickt, desto besser kennt man die Zukunft.“. Deshalb analysieren wir Daten aus fast 100 Jahren. Wir wollen erkennen, ob die Performance des Value-Faktors einem Muster folgt und was dies für die künftigen Erträge von Mehrfaktorenstrategien bedeutet.
Natürlich ändern sich die Märkte im Laufe der Zeit. Dennoch ist die Vergangenheit für Value-Investoren ermutigend. Dramatische Comebacks wie dieses Jahr sind nicht ungewöhnlich, vor allem nach starken Rückschlägen. Auf die schlechtesten Jahre für den Value-Faktor folgten oft die besten. Deshalb kann die derzeitige Value-Rallye weitergehen, zumal auch die Konjunktur dafür spricht. Mehrfaktoreninvestoren könnten dann wieder eine wichtige langfristige Ertragsquelle nutzen, auf die sie in letzter Zeit verzichten mussten.
Abbildung 1: Kumulierte Erträge des Value-Faktors von Fama/French (Book-to-Market) nach Kalenderjahren, 1926 bis 2021
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Quelle: Matthias Hanauer, Kenneth R. French Data Library. Stand 31. März. Die Kenneth French Data Library enthält alle Aktien von NYSE, AMEX und NASDAQ, für die Daten zur Verfügung stehen. Die Wertentwicklung der Vergangenheit ist keine Garantie für die künftige Entwicklung.
Die mageren Jahre sind vorbei
Die Abbildung oben zeigt die Daten für unsere Analyse. Basis ist der monatliche Value-Faktor in den Jahren 1926 bis 2021, so wie er in der Wissenschaft üblicherweise definiert ist, nämlich als Verhältnis von Buchwert zu Marktwert (Book-to-Market). Dafür berechnen wir die kumulierten Kalenderjahreserträge. Vier der 95 Jahre sind besonders hervorgehoben (1999, 2000, 2020 und 2021), zeigen sie doch am besten, warum die Investoren zurzeit so optimistisch sind. Man sieht, dass auf massive Einbrüche des Value-Faktors oft ebenso ausgeprägte Erholungen folgten.
Bevor Value-Aktien 2020 um 31% einbrachen, war 1999 das schlechteste Jahr für den Faktor Book-to-Market. Als sich die Technologieblase immer weiter aufblähte, hielten niedrig bewertete Aktien nicht mit und verzeichneten hohen Minderertrag. Als die Blase dann Anfang 2000 platzte, legten Substanzwerte kräftig zu. Wie die Abbildung zeigt, war das erste Jahr des neuen Jahrtausends das beste Value-Jahr aller Zeiten.
Value-Investoren, die 2020 sogar noch mehr Minderertrag hinnehmen mussten als während der Technologieblase, hoffen, dass das Comeback des Faktors im 1. Quartal 2021 der erste Hinweis auf eine Wiederholung der Geschichte ist.
Eine detailliertere Analyse liefert weitere Beispiele für diese Entwicklung. Die Abbildung unten teilt die Daten der besseren Übersichtlichkeit wegen in Dekaden ein. Wichtige Trendwenden im Folgejahr heben wir hervor. Neben 1999/2000 sowie – bis jetzt – 2020/21 folgte auch 1928/29, 1934/35, 1949/50, 1953/54, 1969/70 sowie 1980/81 auf ein mageres ein fettes Jahr. Umgekehrt – ein fettes Jahr gefolgt von einem mageren – erlebten wir es 1968/69, 1970/71 und 2016/17. Dies zeigt, dass der Value-Faktor Zyklen folgt.
Abbildung 2: Kumulierte Erträge des Value-Faktors von Fama/French (Book-to-Market) nach Jahrzehnten2
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Quelle: Kenneth R. French Data Library. Stand 31. März. Die Kenneth French Data Library enthält alle Aktien von NYSE, AMEX und NASDAQ, für die Daten zur Verfügung stehen. Die Performance der Vergangenheit ist kein Hinweis auf die zukünftige Performance.
Solche Zyklen sind aber keine Spezialität von Value. Bei allen Investmentansätzen wechseln sich gute und schlechte Zeiten ab, wenn auch die Muster verschieden sind. Dies war schon immer eine Stärke von Mehrfaktorenansätzen (Multi-Factor). Wer auf unterschiedliche Faktoren setzt, kann Schwächen eines Faktors durch Stärken anderer ausgleichen. Dass die Schwäche eines Faktors alle anderen dominiert, wie bei Value im letzten Jahr, passiert nur sehr selten.
Argumente für eine anhaltende Erholung von Value
Die Gründe für die Stärke oder Schwäche eines Faktors sind nicht leicht zu erkennen. Meist sind es aber gesamtwirtschaftliche Entwicklungen und Veränderungen der Anlegerstimmung. Oft spielen auch die Ausgangsbewertungen eine Rolle.
In den letzten 100 Jahren dominierten in den verschiedenen Zyklen unterschiedliche Faktoren. Im Jahr 2000 fehlte ein klarer konjunktureller Auslöser, aber die Anleger reagierten auf die hohen Bewertungen. Der Auslöser des Value-Comebacks war also ein völlig anderer als 1981, kurz nach der Wahl von Ronald Reagan zum US-Präsidenten. Damals ging in den USA gerade eine der schlimmsten Rezessionen seit der Großen Depression zu Ende. Die jüngste Rallye hat mit der von 1981, aber auch mit anderen Erholungen viel gemein. Es gibt aber auch einige Besonderheiten.
Auch das jüngste Value-Comeback folgte auf einen Machtwechsel in den USA und fiel in eine Zeit, in der die Welt gerade eine schwere Rezession hinter sich ließ. Und doch ist die Wirtschaftslage völlig anders als 1980. Als Reagan sein Amt antrat, waren Inflation und Zinsen hoch wie selten zuvor. Heute lassen sie gerade allmählich ihre Allzeittiefs hinter sich. Der Anstieg der Realzinsen im 1. Quartal – wegen der Erwartung, dass sich das Wirtschaftswachstum erholt und die Corona-Hilfsprogramme vielleicht die Inflation treiben – sorgte für einen deutlichen Aufschwung des Value-Faktors. Mehr Wachstum und mehr Inflation gelten als ein wichtiges Argument für eine Fortsetzung des Value-Comebacks. Schließlich steigen die Diskontfaktoren von Aktien mit einer längeren Duration.
Erhellend ist auch der Vergleich mit der Technologieblase, auch wenn er ein wenig hinkt. Damals wie heute waren der Erholung beispiellose Mindererträge vorausgegangen. Die Value-Schwäche bis März 2000 war aber relativ kurz und heftig, während die jüngste Schwächephase länger dauerte. Beide Male schienen die Bewertungen dann aber sehr attraktiv. Und auch wenn manche Aktien zuletzt ähnlich übertrieben bewertet waren wie in den späten 1990ern, waren die Fundamentaldaten vieler Überfliegeraktien des letzten Jahres deutlich besser. Wirklich spekuliert wurde meist nicht mit börsennotierten Large Caps, sondern anderswo. Wegen dieser Unterschiede fragen sich viele Anleger, ob sich Value jetzt wirklich so stark erholen kann wie in den frühen 2000ern. Damals folgten auf das beste Jahr aller Zeiten (2000) noch sechs weitere Jahre mit Mehrerträgen (Abbildung 3).
Abbildung 3: Erträge des Value-Faktors von Fama/French (Book-to-Market) nach Kalenderjahren
Quelle: Kenneth R. French Data Library. Stand 31. März. Die Kenneth French Data Library enthält alle Aktien von NYSE, AMEX und NASDAQ, für die Daten zur Verfügung stehen. Die Performance der Vergangenheit ist kein Hinweis auf die zukünftige Performance.
Vorbereitet sein, wenn sich auch andere Faktoren erholen
Value halten wir für einen wichtigen Teil jeder langfristigen Anlagestrategie. Factor Timing mag äußerst schwierig sein, aber Aktien, die unter ihrem inneren Wert notieren, sind stets interessant. Statt also in den Faktor einzusteigen und wieder auszusteigen, müssen wir Konzepte entwickeln, die über den hier vorgestellten einfachen Ansatz hinausgehen.
Als fundamental orientierter Mehrfaktoreninvestor kombinieren wir Value mit anderen Faktoren, etwa Qualität und Anlegerstimmung. Dadurch können wir das Gewinnwachstum der Unternehmen besser prognostizieren und Portfolios zusammenstellen, deren Mehrertrag nicht nur von einem einzigen Faktor abhängt.
In den letzten Jahren sah man deutlich, wie risikoreich Einfaktorstrategien sind. 2020 war aber auch für Mehrfaktorenstrategien äußert schwierig. Wegen der ausgeprägten Schwäche des Value-Faktors lagen selbst gut diversifizierte Portfolios oft im Minus.
Wenig spricht dafür, dass es so bleibt. Auf die größten Einbrüche des Value-Faktors folgten oft die größten Comebacks. Die gute Konjunktur, die sich ändernde Anlegerstimmung und vor allem die attraktiven relativen Bewertungen sprechen zurzeit für niedrig bewertete Aktien. Auf jeden Fall machen Multi-Factor-Strategien ihrem Namen jetzt wieder alle Ehre.
Rechtliche Hinweise
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