Statements von Chris Iggo: Auch im Herbst bleiben die hohen Energiepreise
- Versorgungsengpässe und eine gestiegene Nachfrage treiben Preise für Öl, Erdgas und Kohle an.
- Die zum Teil massiven Preissteigerungen verstärken die Inflationssorgen.
- Erneuerbare Energien können die zusätzliche Nachfrage (noch) nicht abdecken.
- Die Energiewende sorgt für einen strukturellen Wandel. Unternehmen aus der Branche müssen sich stärker diversifizieren, um für Anleger attraktiv zu bleiben.
Hohe Energiepreise gefährden Aufschwung
Der Konjunkturaufschwung wird immer wieder durch angebotsseitige Störungen gebremst. Das jüngste Beispiel ist der Anstieg der Energiepreise, die das verfügbare Einkommen und die Ausgaben für andere Waren und Dienstleistungen verringern. Das Risiko, dass dies tiefgreifendere wirtschaftliche Auswirkungen haben könnte, ist an den Finanzmärkten jedoch nicht eingepreist.
Preissteigerungen heizen Inflationssorgen an
Der Preis für ein Barrel Öl hat sich seit dem vergangenen Jahr verdoppelt. Der Marktpreis für Erdgas ist auf den europäischen Märkten im selben Zeitraum sogar um das Fünffache gestiegen. Und der Kohlepreis kletterte seit September 2020 um 100 Prozent. Diese Preissteigerungen verstärken die Inflationssorgen und waren ein wichtiger Faktor für den jüngsten Anstieg der Break-Even Inflationsrate am Rentenmarkt. Das ist sicherlich ein weiterer Grund zur Sorge für die Anleger. Es wäre keine gute Kombination, wenn die Energiepreise und die Zinssätze weiter ansteigen würden.
Volatile Energiemärkte
Die Rohstoffpreise reagieren immer empfindlich, selbst auf geringfügige Veränderungen bei Angebot und Nachfrage. Aktuell ist der Anstieg der Energiepreise vermutlich das Ergebnis einer höheren Nachfrage im Zusammenhang mit der wirtschaftlichen Erholung nach COVID-19 in Verbindung mit anhaltenden pandemiebedingten Produktionsstörungen. Dies hat dazu geführt, dass die Erdgasvorräte wesentlich geringer sind als üblich. Die Erdgaslieferungen aus Russland nach Europa sind im Vorfeld der behördlichen Genehmigung und Inbetriebnahme der Nord Stream 2-Pipeline zurückgegangen. Aber auch in Nordamerika und Asien sind Lagerknappheit und Versorgungsprobleme zu beobachten. Eine Verknappung des Erdgases und höhere Preise führen dazu, dass sich die Stromverbraucher alternativen Energiequellen zuwenden – auch das ist ein Grund für den Anstieg der Preise für Öl und andere Brennstoffe.
Auswirkungen durch die Pandemie
Die Auswirkungen von COVID-19 auf die Energiemärkte sind groß, schließlich werden für Bohrungen, die Veredelung von Rohstoffen sowie für die Wartung von Raffinerien und Pipelines Arbeitskräfte benötigt, und die Menschen sind nicht immun gegen die Krankheit. Auf der Verbraucherseite erleben wir zumindest in Großbritannien, wie sich ein Corona-bedingter Mangel an Tankwagenfahrern auf den Handel mit Benzin auswirkt. Die Hafenkapazität wurde beeinträchtigt, was sich wahrscheinlich auch auf den Handel mit Flüssigerdgas ausgewirkt hat. Die USA sind ein großer Exporteur von Flüssigerdgas, insbesondere nach Asien. Das zeigt: Es gibt viele Gründe für den derzeitigen Preisanstieg.
Energiewende und Preisgestaltung
Es besteht das Risiko, dass die Energiepreise über einige dieser kurzfristigen Corona-bedingten Gründe hinaus hoch bleiben könnten. Der Übergang zu einer kohlenstoffarmen Wirtschaft beinhaltet wichtige strukturelle Trends. Auf der Nachfrageseite steigt der Bedarf an erneuerbaren Energien als Brennstoffquelle für die Stromerzeugung und für eine Reihe von Industrieprozessen. Auf der Angebotsseite beginnen Investoren, Kapital aus Öl- und Gasunternehmen abzuziehen, um Technologien und Investitionen in erneuerbare Energien zu finanzieren. Das treibt die Kapitalkosten für den Erdöl- und Erdgassektor in die Höhe, so dass neue Kapazitäten wirtschaftlich weniger rentabel sind. Beides geschieht jedoch nicht in gleichem Tempo. Erneuerbare Energien sind noch nicht in ausreichender Menge vorhanden, um die vorherrschende Energiequelle zu sein. Der aktuelle Anstieg der Energiepreise mag mit kurzfristigen Faktoren zusammenhängen, aber konzeptionell betrachtet kann man sehen, wie die Dynamik der Energiewende auch zu höheren Energiepreisen führen kann. Wenn die erneuerbaren Energien bereits in der Lage wären, die zusätzliche Nachfrage zu decken, würden die Preise nicht steigen.
Investitionen in erneuerbare Energien müssen weiter wachsen
Die Kosten für die Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energien sind in den vergangenen Jahren gesunken und sind in vielen Fällen billiger sind als Strom aus fossilen Brennstoffen. Der Trend wird sich fortsetzen, da die Technologie voranschreitet, die Kapitalkosten für grüne Technologien sinken und sich ein globaler (und höherer) Preis für Kohlenstoffemissionen entwickelt. Solange jedoch die Nachfrage nach Öl und Gas weiter steigt, werden die Preise aufgrund von Versorgungsengpässen sowohl bei den erneuerbaren Energien als auch auf den traditionellen Energiemärkten steigen. Doch die gute Nachricht ist, dass diese Entwicklung zu einer noch schnelleren Investition und Nutzung erneuerbarer Energien führen wird. Sie werden hoffentlich billiger sein und weniger schwanken. Es liegt auf der Hand, dass in die Kapazitäten für erneuerbare Energien, ihre Speicherung und Verteilung noch viel investiert werden muss.
Traditionelle Energieunternehmen abstoßen?
Die Erdöl- und Erdgasmärkte befinden sich in „Backwardation“, das heißt die Terminpreise sind niedriger als die Spot-Preise. Dies ist ein klassisches Signal für eine kurzfristige Angebotsverknappung. Es deutet darauf hin, dass die Preise fallen werden. Die Energiewende deutet auf eine geringere Nachfrage und niedrigere Öl- und Gaspreise in der Zukunft hin. Dies untergräbt die langfristigen Argumente für Investitionen in Energieunternehmen, die nicht diversifiziert sind. Es spricht viel dafür, sich jetzt von den Unternehmen zu trennen, die im Hinblick auf die Diversifizierung der Geschäftstätigkeit und die Umweltauswirkungen der fortgesetzten Öl- und Gasproduktion am schlechtesten abschneiden.
Weitere Gründe zur VorsichtDie kurzfristigen makroökonomischen Aussichten werden durch den Energiepreisanstieg erschwert. Die Breakeven-Inflationskurve in den USA ist seit Anfang des Jahres negativ, so dass der Markt immer noch von einer vorübergehenden Entwicklung ausgeht. Aus der Sicht des Aktienmarktes sind unserer Ansicht nach die Sorgen über das Energie-Angebot und die möglichen Auswirkungen von Versorgungsengpässen auf die Bilanzen und Gewinnprognosen eine größere Bedrohung als deutlich höhere Anleiherenditen. Wir haben bereits eine Abschwächung der Zwölf-Monats-Wachstumsrate für den Gewinn pro Aktie in den USA und in Europa registriert. Makro- und Fundamentaldaten haben sich in letzter Zeit abgeschwächt, so dass wir abwarten müssen, ob die Liquidität ausreicht, um das Marktniveau zu halten.
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