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Nachhaltigkeit

Verantwortliches Investieren, Nachhaltigkeit und ESG: Mythen und Realität


Das Coronavirus des Jahres 2020 hatte immense sozioökonomische Folgen. Doch in diesem außergewöhnlichen Jahr sind auch Regierungen, politische Entscheider und Einzelpersonen aktiver geworden, damit wir besser auf unseren Planeten und seine Zukunft achten.

Trotz dieser Herausforderungen dürften die Investoren auf einen "grünen" Aufschwung gesetzt haben: Immerhin verzeichneten nachhaltigkeitsorientierte Fonds rekordhohe Nettozuflüsse von über 51 Mrd. US-Dollar – mehr als doppelt so viel wie 2019. Verantwortliches Investieren hat in recht kurzer Zeit großen Zuspruch erhalten.1

Chris Iggo, AXA IM CIO, Core Investments, erläutert die aktuelle Lage wie folgt: „Verantwortliches Investieren hat sich als Standard etabliert. Regierungen, Aufsichtsbehörden und Investoren wollen sogar, dass nicht-finanzielle Faktoren bei Anlageentscheidungen noch stärker einfließen. Wer diese Aspekte ignoriert, geht Risiken ein, die die finanzielle Performance beeinträchtigen könnten.“

„Die Regierungen führen Gesetze zur Förderung der Nachhaltigkeit ein, Unternehmen berichten über mehr ökologische und soziale Themen, und Investoren mobilisieren Kapital für wirtschaftliche Aktivitäten, die zur Gesundheit der Menschen und dem Schutz des Planeten beitragen.“

Gilles Moëc, Chief Economist & Head of Research der AXA Group, fügt hinzu: „Es ist kein Gegensatz mehr, Wirtschaftswachstum zu fördern und zugleich etwas für den Planeten zu tun. Die Öffentlichkeit versteht, wie dringend der Kampf gegen den Klimawandel ist. Vor diesem Hintergrund beschließen die Regierungen umfangreiche Investitionspläne für die Erholung nach Covid-19.“

Verantwortliches Investieren und ESG-Fonds (die sich an ökologischen, sozialen und governancebezogenen Themen orientieren) erfreuen sich zunehmender Beliebtheit, aber es gab auch Skepsis. die manchmal noch immer spürbar ist – vor allem zur Glaubwürdigkeit und Erfolgsbilanz. Wir untersuchen einige dieser Bedenken und stellen sie der Realität gegenüber.

Mythos 1: ESG-Anlagen sind eine Nische

Regierungen, Verbraucher und Unternehmen legen immer mehr Wert auf Nachhaltigkeit. Hinzu kommen strengere Vorschriften und Ziele, wie etwa jenes zur Begrenzung der Erderwärmung gemäß dem Pariser Klimaabkommen 2015. Um die Erderwärmung deutlich unter 2 Grad und nach Möglichkeit auf 1,5 Grad zu begrenzen, müssen die CO2-Emissionen deutlich sinken. Dies gelingt nur, wenn der globale Energiesektor von fossilen Brennstoffen auf umweltfreundlichere, erneuerbare Alternativen umsteigt.

Die Dynamik hat erheblich zugenommen: China, das die höchsten CO2-Emissionen der Welt verursacht, hat sich zu CO2-Neutralität verpflichtet. Die USA sind wieder dem Pariser Klimaabkommen beigetreten, und Präsident Joe Biden will die gesamte Flotte an Bundesfahrzeugen (etwa 650.000 Fahrzeuge) umweltfreundlich betreiben.

Auch der Aufbauplan der Europäischen Union zur wirtschaftlichen Erholung nach der Pandemie umfasst etwa 550 Mrd. Euro für grüne Initiativen. Dies ist die größte Klimazusage aller Zeiten. Auch internationale Unternehmen wie Microsoft und Google sowie viele andere haben sich zu CO2-Neutralität verpflichtet.

ESG dürfte sich mittlerweile als Standard etabliert haben und Teil der „neuen Normalität“ geworden sein. 2015 haben die Vereinten Nationen die Nachhaltigkeitsziele (Sustainable Development Goals, SDGs) beschlossen, um bis 2030 Armut zu beseitigen, den Planeten zu schützen und allen Menschen ein Leben in Frieden und Wohlstand zu sichern.2

Nach COVID-19 sind diese globalen Ziele wichtiger denn je. Weltweit fordern immer mehr Verbraucher mehr Gleichstellung, sauberere Energien und bessere Lebensstandards. Wenn Unternehmen – und Investoren – dieser Herausforderung nicht gerecht werden, könnten sie den Anschluss verlieren.

Aus Anlagesicht erwartet PwC, dass das verwaltete Vermögen in ESG-Fonds bis 2025 über die Hälfte aller Assets europäischer Publikumsfonds ausmachen könnte. Laut dem PwC-Bericht „The Growth Opportunity of a Century“ könnten ESG-Assets bis 2025 auf 5,5-7,6 Bio. EUR steigen und so zwischen 41% und 57% des gesamten Vermögens europäischer Publikumsfonds ausmachen; Ende 2019 waren es noch 15,1%. Dies entspräche einer durchschnittlichen jährlichen Wachstumsrate von knapp 29% von 2019 bis 2025.3

Mythos 2: Beim Verantwortlichen Investieren geht es nur um Aktien und ihren Auschluss

Ursprünglich ging es im Verantwortlichen Investieren darum, Aktien auszuschließen. Das Konzept hat sich seitdem aber erheblich weiterentwickelt. Am Anfang entstand ein „verantwortliches“ Portfolio durch eine Aktien-Vorauswahl. Dazu wurden sogenannte „sündige“ Sektoren wie Alkohol, Tabak und Glücksspiel sowie Branchen wie fossile Brennstoffe ausgeschlossen. Dafür eigneten sich meist eher Aktienfonds. Verantwortliches/ESG-Investieren ist aber assetklassenübergreifend möglich. Man kann neben Aktien auch in grüne Anleihen und sogar alternative Anlagen wie Gewerbeimmobilien investieren.

Natürlich schließen viele Portfolios nach wie vor bestimmte Segmente aus. ESG-Investieren umfasst aber auch die Suche nach Unternehmen, die Gutes bewirken. Viele ESG-Portfolios orientieren sich etwa an bestimmten ökologischen oder sozialen Themen und investieren in Bereiche wie saubere Energie und Technologie oder erneuerbare Energien. Viele Anlagevehikel wie Impact-Fonds zielen auf eine positive gesellschaftliche Wirkung ab.

Dies gelingt beispielsweise durch grüne Anleihen. Die Emissionserlöse dieser Assetklasse sind für Projekte vorgesehen, um Nachhaltigkeit zu fördern, den Klimawandel zu bekämpfen und andere Umweltvorhaben zu finanzieren. Doch Klima und Umwelt sind nicht die einzigen Themen. Unseren Analysen zufolge haben etwa 25% der Investments in grüne Anleihen auch eine positive soziale Wirkung. Sie tragen unter anderem zu Gesundheit und Wohlergehen

sowie zur wirtschaftlichen Situation und dem Arbeitsplatzumfeld bei.4  Hinzu kommen Transition Bonds zur Finanzierung von zurzeit emissionsintensiven Unternehmen, die sich aber dem ökologischen Wandel verschrieben haben. Dazu gehören Unternehmen, die heute noch keine grünen Anleihen emittieren können, weil sie zu wenig grüne Projekte verfolgen, die sich zur Finanzierung eignen.

Im Verantwortlichen Investieren stehen aber nicht nur Assetklassen im Mittelpunkt. Es geht auch darum, dass Investmentgesellschaften Unternehmen zu höchsten Standards bei ESG-Themen anhalten. Wenn ein Unternehmen bei wesentlichen ESG-Aspekten die Investorenerwartungen nicht erfüllt, sind ein konstruktiver Dialog und Engagement nötig. Bei Bedarf müssen die Investoren ihren Einfluss geltend machen, um auf Verbesserungen zu drängen. Aktive Eigentümerverantwortung führt zu mehr Transparenz, schützt die Aktionärsrechte und verbessert die Corporate Governance. Zudem kann Unternehmensengagement ESG-Risiken aufzeigen, bevor sie problematisch werden. Dadurch lassen sich einige unliebsame Überraschungen vermeiden, die die Performance von Investments beeinträchtigen könnten.

Mythos 3: Verantwortliches Investieren führt zu niedrigeren finanziellen Erträgen 

Das in der Vergangenheit am häufigsten diskutierte Vorurteil war, dass Verantwortliches und ESG-Investieren zu niedrigeren Langfristerträgen führt als traditionelle Anlageportfolios. Diese Angst stammt aus der Frühphase, als man im Verantwortlichen Investieren vor allem bestimmte Sektoren von Portfolios ausschloss, die aber vielleicht bisweilen verlässliche Erträge lieferten.

Mittlerweile deuten jedoch viele Analysen darauf hin, dass die Berücksichtigung von ESG-Faktoren die Performance verbessern kann. Eine zeigte, dass etwa 90% der 2.200 empirischen Studien einen – im Allgemeinen positiven – Zusammenhang zwischen ESG-Faktoren und der finanziellen Performance feststellten.5  Darüber hinaus können wir durch die strukturellen Zusammenhänge zwischen ESG-Profilen und Unternehmensergebnissen besser beurteilen, wie sich die Rentabilität und das Geschäftsrisiko einzelner Unternehmen entwickeln dürften.6

Diese Ergebnisse zeigen sich nicht nur in wissenschaftlichen Studien, sondern auch anhand von Performancedaten. Der MSCI ACWI ESG Leaders Index umfasst große und mittelgroße Unternehmen aus 23 Industrieländern und 27 Schwellenländern mit einer guten ESG-Performance im Sektorvergleich. Seit seiner Gründung im September 2007 erzielte der Index sowohl kumuliert als auch annualisiert Mehrertrag gegenüber dem weiter gefassten MSCI ACWI Index.7

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