Droht eine Stagflation? Was Pensionsfonds jetzt tun sollten
- Eine Stagflation ist selten, aber irritierend. Pensionsfonds haben das Stagflationsrisiko genau im Blick. Wird es den Notenbanken gelingen, die Inflation ohne einen Wachstumseinbruch einzudämmen?
- Die aktuelle Lage kann wichtige Konsequenzen für Kapitaldeckungsquoten und Absicherungsstrategien haben.
- Wir halten Qualitätsanleihen mit langer Duration für interessant, auch wenn die Leitzinsen weiter steigen. Außerdem würden wir Pensionsfonds raten, Liquiditätsrisiken genau im Blick zu behalten.
Wahrscheinlich fürchten Pensionsfonds kein Konjunkturszenario mehr als die Stagflation, aber vermutlich sind sie darauf am schlechtesten vorbereitet. Die strategische Asset-Allokation der meisten Pensionsfonds beruht auf dem recht optimistischen Goldilocks-Szenario. Zu Recht, könnte man meinen, denn Stagflation – also hoher Preisauftrieb kombiniert mit schwachem Wachstum – gab es bislang wirklich selten.
Die aktuelle Lage ist also ungewöhnlich. Natürlich fürchten Investoren, dass die Notenbanken bei der Eindämmung der Inflation Fehler machen – und hoffen, dass dies nicht in die Rezession führt. Eine Stagflation in den Industrieländern wäre dann ein ernstes Risiko.
Wie die Notenbanken in den USA und Europa im letzten Monat bestätigt haben, sollen die Zinserhöhungen weitergehen, um die hartnäckig hohe Kerninflation zu bekämpfen. Die Gesamtinflation hat ihr Maximum zwar überschritten, und die Kernteuerung dürfte bald folgen. Es ist aber keineswegs sicher und nicht einmal besonders wahrscheinlich, dass die Kerninflation – die besonders volatile Preise unberücksichtigt lässt – genauso schnell fällt wie die Teuerung insgesamt.
Noch ist die Geldpolitik in Europa eher locker, die Fiskalpolitik ist weltweit expansiv, und es herrscht Arbeitskräftemangel. Für den wahrscheinlichsten Fall halten wir, dass das Welt-BIP 2023 nur noch um 2,7% wächst, nach 3,4% im Jahr 2022. Für den Euroraum erwarten wir einen Wachstumsrückgang von 3,6% im letzten auf 0,4% in diesem Jahr. Zurzeit ist unklar, ob der Kampf gegen die Inflation wirklich ohne Rezession möglich ist.
Schutz
Eine hohe Teuerung und schwaches Wachstum sind für Pensionsfonds ein zweischneidiges Schwert. Die Inflation lässt die oft indexierten Verbindlichkeiten sofort steigen. Dadurch sinkt der Kapitaldeckungsgrad sofort – die Differenz zwischen Kapitalanlagen und Versicherungsverpflichtungen. Diesmal steigen aber zugleich die Zinsen, was dem Kapitaldeckungsgrad grundsätzlich guttun dürfte.
Langfristig dämpft ein schwächeres Wachstum Gewinnmargen und Aktienkurse, was dem Kapitaldeckungsgrad ebenfalls schaden dürfte. Wenn es jetzt wirklich zu einer Stagflation kommt, mit einer Lohn-Preis-Spirale und fallenden Gewinnmargen, gerieten die Kapitaldeckungsgrade von Pensionsfonds stark unter Druck. Die Kaufkraft der Pensionäre würde aber noch stärker getroffen. Gegen ein solches Szenario müssen sich Pensionsfonds schützen, aber nicht um jeden Preis.
Wie ein Fonds mit diesen Unsicherheiten umgehen kann, hängt auch von seiner aktuellen Positionierung ab – etwa von der aktuellen Kapitaldeckungsquote, der Möglichkeit, Beitragserhöhungen durchzusetzen und einer möglichen Begrenzung der Inflationsindexierung.1 Dennoch sollten sich Pensionsfonds genauer damit befassen, ob sie sich strategisch vor den Inflationsfolgen schützen können.
Faktor Liquidität
Sie könnten etwa die Verbindlichkeiten weniger stark gegen Zinsrisiken absichern, um Verluste bei einem weiteren Zinsanstieg zu verhindern. Langfristig ist ein Fonds mit nur teilweise abgesicherten Verbindlichkeiten weniger inflationsanfällig und reagiert auch weniger auf steigende Zinsen. Eine solche Verringerung ist sinnvoll – es sei denn, man glaubt, dass die Zinsen nicht weiter steigen. Dann würde man die Absicherung natürlich beibehalten.
Kurzfristig rechnen wir aber mit weiteren Leitzinserhöhungen und bevorzugen daher tendenziell Anleihen mit langer Duration. Hier halten wir Qualitätstitel, ausgewählte Investmentgrade-Unternehmensanleihen sowie Staatsanleihen, Supranationals und Agency-Anleihen für interessanter als höher verzinsliche Papiere, die stärker auf einen Konjunkturabschwung reagieren.
Inflationsindexierte Anleihen sind traditionell stark mit unerwarteter Inflation korreliert, scheinen jetzt aber möglicherweise teuer. Weil die Realzinsen jetzt positiv und so hoch wie selten sind, ist eher ein Rückgang zu erwarten. Noch wissen wir aber nicht, ob in den Industrieländern eine Rezession kommt und wie tief sie sein wird. Allein das Risiko kann aber zu Spreadausweitungen führen, wenn die Zinsen weiter steigen.
In diesen unsicheren Zeiten ist es nachvollziehbar, dass risikoreichere und illiquide Assetklassen bei Pensionsfonds zurzeit nicht sehr beliebt sind. Entscheidend ist das Liquiditätsmanagement, wie wir während der Liquiditätskrise britischer Pensionsfonds im Oktober 2022 deutlich gesehen haben.2 Noch immer sind Pensionsfonds zu stark in illiquide Titel investiert. Wir glauben, dass dies auch bis weit ins Jahr 2024 hinein der Fall sein wird. Es ist nun einmal von Natur aus schwierig, sich von solchen Papieren zu trennen.
Das ist also die aktuelle Lage. Die Kerninflation fällt langsam, da Arbeitskräfte noch immer knapp sind. Das Wachstum ist höher als befürchtet, aber in den Industrieländern trotzdem nur mäßig. Die Langfristzinsen werden steigen, da mit weiteren Leitzinserhöhungen gerechnet wird. Die Spreads könnten sich noch stärker ausweiten, da höhere Zinsen zur Normalität werden.
Alles in allem halten wir Investmentgrade-Credits jetzt für attraktiver als High Yield, aber auch eine längere Duration scheint uns interessant. Inflationsindexierte Anleihen sind schwerer einzuschätzen, auch wenn es sinnvoll erscheint, in der strategischen Asset-Allokation jetzt mehr auf Inflationsschutz zu achten. Aber die Zeiten sind nicht einfach, und Geduld kann sich manchmal auszahlen.
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