Was bedeutet Trumps Präsidentschaft für Märkte und Weltwirtschaft?
Mit seinem klaren Sieg kehrt Donald Trump ins Weiße Haus zurück. Unsere Experten analysieren den Ausblick für den US-Markt, die möglichen weltwirtschaftlichen Folgen seiner Politik und die Auswirkungen auf die einzelnen Assetklassen.
Gilles Moëc, AXA Group Chief Economist und Head of Research, AXA IM
Donald Trump ist mit einem klaren wirtschaftspolitischen Programm angetreten, mit drei Schwerpunkten: Einwanderung, Fiskalpolitik und Zölle.
Trump will irreguläre Einwanderer aus den USA ausweisen. Laut Pew Research Center betrifft das etwa acht Millionen Beschäftigte, gut 5% der Arbeitskräfte. Würden sie tatsächlich abgeschoben, veränderte sich die Lage am Arbeitsmarkt dramatisch. Löhne und Inflation dürften steigen.
Zur Fiskalpolitik hat Trump gesagt, dass er die Steuersenkungen aus seiner ersten Amtszeit beibehalten wolle. Laut Congressional Budget Office würde das schon jetzt recht hohe US-Haushaltsdefizit dann in jedem der nächsten zehn Jahre um etwa 1% des BIP steigen.
Außerdem hat Trump laut über eine Senkung des Körperschaftsteuersatzes von 21% auf 15% und die Freistellung von Sozialversicherungsleistungen und Trinkgeldern von der Einkommensteuer nachgedacht. Nach dem Penn Wharton Budget Model würden diese Maßnahmen zusammen mit der Verlängerung der Steuersenkungen von 2017 das US-Haushaltsdefizit um etwa 2% des BIP steigen lassen.
Trumps drittes Thema ist der Außenhandel. Er hat 60% Zoll auf chinesische Waren und 10% auf Waren aus allen anderen Ländern angekündigt, was die US-Inflation kräftig anheizen dürfte. Vermutlich werden dann auch sehr viel mehr US-Staatsanleihen begeben, was für höhere Langfristrenditen spräche. Dass der Markt nach den Wahlen ähnlich reagierte, wie man es aus der letzten Zeit kennt, spricht für rationales Anlegerverhalten.
Olivier Blanchard, früherer IWF-Chefvolkswirt und Senior Fellow am Peterson Institute for International Economics
10% Zoll auf alle Einfuhren und sogar 60% Zoll auf Waren aus China werden die Importe fallen lassen, vor allem die chinesischen. Die Nachfrage nach Gütern aus heimischer Produktion würde steigen. Das Handelsdefizit dürfte schrumpfen, wie Trump es will. Aber das ist nur der Anfang.
Der US-Dollar wird aufwerten, wie schon in den letzten Tagen. Bei einem niedrigeren Handelsdefizit werden Investoren für den Dollar wohl optimistischer. Da in den USA mehr oder weniger Vollbeschäftigung herrscht, wird eine höhere Binnennachfrage die Inflation treiben. Vermutlich wird die Fed dann die Zinsen anheben, was den Dollar weiter steigen ließe.
In etwa ein oder zwei Jahren sieht es dann aber wohl wesentlich schlechter aus: Exporte und Exporteure geraten unter Druck. Trump hat dann drei Möglichkeiten: Er kann die Fed zu Zinssenkungen auffordern, aber wahrscheinlich ohne Erfolg. Wenn die Notenbank nicht will, kann er sie nicht zwingen. Außerdem kann er die Zölle weiter erhöhen oder sie wegen Inflation und Dollaraufwertung wieder senken.
Fast 10 Millionen illegale Einwanderer lassen sich nicht in einem Jahr des Landes verweisen. Wahrscheinlich plant Trump eher mit einer Million jährlich, aber auch das ist schwierig. Vielleicht begnügt er sich mit einer kleineren, symbolischen Zahl. Seine Ausweisungspläne würden zu erheblichem Personalmangel führen, vor allem in der Landwirtschaft, wo Trump wegen seiner vielen Anhänger in ländlichen Gebieten besonders vorsichtig sein muss. Weil die Einwanderer ersetzt werden müssen, wird es mehr offene Stellen geben, mehr Engpässe am Arbeitsmarkt und eine höhere Inflation. Auch deshalb glaube ich, dass die Fed dann die Zinsen erhöhen muss.
Wenn Trump seine Steuererhöhungen fortsetzt und Sozialversicherungsleistungen von der Einkommensteuer befreit, könnte das US-Defizit um 1% bis 2% des BIP steigen. Schon heute ist es mit etwa 3% bis 4% des BIP sehr hoch. Ein Primärdefizit von 6% ist wirklich viel, selbst für die USA.
Des Weiteren rechne ich mit Deregulierung, auch an den Finanzmärkten: Sorgen macht mir die mangelnde Regulierung des Kryptowährungsmarktes. Er ist jetzt so groß, dass ein Zusammenbruch ernste wirtschaftliche Folgen hätte.
Zugegeben, die Unsicherheit ist heute kleiner als in der letzten Woche vor den Wahlen. Aber sie ist noch immer groß. Das kann Investitionen und Konsum belasten. Nachfrage und Konjunktur würden schwächer, aber ich glaube nicht, dass dies die Auswirkungen von Trumps Politik auf Arbeitsmarkt und Inflation neutralisiert.
Fazit: Die beiden nächsten Jahre könnten gut werden, aber dann kommen härtere Zeiten.
Nick Hayes, Head of Active Fixed Income Allocation and Total Return, AXA IM Core
Anleihen haben auf den Wahlausgang bislang uneinheitlich reagiert. Die Aussicht auf eine nationalistische, wachstumsfreundliche Trump-Ära hat die US-Staatsanleihenrenditen zunächst steigen lassen, da mit höheren Ausgaben, steigenden Inflationserwartungen und einer steileren Zinsstrukturkurve gerechnet wird. Kontinentaleuropäische und britische Anleihen ließen US-Titel aber hinter sich, und die (meist mit Aktien korrelierten) Credit Spreads wurden enger, vor allem in den USA. Das glich die Verluste bei US-Staatsanleihen zum Teil aus.
Wird es so weitergehen? Um das einzuschätzen, betrachten wir zunächst die Lage vor den Wahlen. Die Leitzinsen werden gesenkt, wenn auch – vor allem in den USA – vielleicht nicht mehr ganz so schnell wie zunächst erwartet. Anleihen waren daher sehr volatil. Die Kursschwankungen amerikanischer, britischer und deutscher Staatsanleihen haben natürlich auch etwas mit dem Ende der Nullzinsphase zu tun. Alles in allem sind die Renditen jetzt höher und fallen allmählich, aber die Volatilität nimmt zu.
In den letzten zwölf bis 18 Monaten hat man mit Anleihen meist verdient, wenn auch nicht immer. Durch den höheren Carry und die höheren Renditen sind die Zeiten für Anleihen heute so gut wie seit einigen Jahren nicht mehr. Allerdings steigt die Volatilität. Am Markt versucht man abzuschätzen, was Änderungen der US-Renditen für andere Länder bedeuten.
Alles in allem reagieren die Staatsanleihenrenditen weltweit auf die gute Konjunktur. Die Spreads schwächerer Titel sind aber im Vergangenheitsvergleich sehr eng; ihre Bewertungen sind also hoch. Insgesamt sind die Spreads aber attraktiv, doch sind auf Ein- bis Zweijahressicht unserer Ansicht nach vor allem amerikanische High-Yield-Anleihen interessant. Da in Europa eine Rezession wahrscheinlicher wird, drohen hier höhere Ausfälle. Man sollte aber nicht vergessen, dass das Risikoprofil am europäischen High-Yield-Markt völlig anders ist als am amerikanischen. In Europa ist die Kreditqualität im Schnitt besser, und die durchschnittliche Laufzeit ist kürzer.
Dominic Byrne, Head of Global Equity, AXA IM Core
Die Marktbewegungen vor den Wahlen zeigen, wie kurzfristig Aktien oft reagieren. In den letzten zwölf Monaten stiegen US-Aktien überdurchschnittlich; offensichtlich machten die Wahlen keine Sorgen. Zugelegt haben vor allem Sektoren, für die man Vorteile durch einen Trump’schen Sieg erhoffte, etwa Finanzwerte. Defensivere Branchen wie Gesundheit und Konsumverbrauchsgüter oder Titel mit starkem Chinabezug wie Grundstoffe waren schwächer.
Unmittelbar vor den Wahlen schien man der Kursentwicklung zufolge dann mit einem Sieg Trumps zu rechnen. Die Trump-Modellportfolios wichtiger Broker entwickelten sich besser als ihre Harris-Modellportfolios. Aktien, denen man Vorteile durch einen Sieg Trumps zutraute, lagen also vor Titeln, die wohl von einer Präsidentin Harris profitieren würden.
Insgesamt entwickelten sich Aktien weiter gut; Inflation und Zinsen fielen, und auch die Unternehmensgewinne legten ordentlich zu. Kurzfristig war das Umfeld also günstig. Weniger Regulierung, niedrigere Steuern und steilere Zinsstrukturkurven helfen amerikanischen Finanzwerten, Zyklikern, Small Caps und Substanzwerten.
Zölle (und eine expansive Fiskalpolitik) könnten gut für amerikanische Industrieaktien sein, würden aber Exportnationen wie China, Korea, Deutschland und Mexiko schaden. Interessant finden wir den japanischen Aktienmarkt, der weiterhin von Corporate-Governance-Reformen profitieren könnte. Wenn die Bank of Japan den Yen stützt und die Zinsstrukturkurve steiler wird, wäre das auch für den japanischen Finanzsektor gut.
Der mittelfristige Ausblick ist aber weniger klar. Noch wissen wir nicht genau, was Trumps Politik für Inflation, Renditen, Zinsen, Wirtschaftswachstum und Unternehmensgewinne bedeutet. Weil seine Politik aber die US-Industrie stärken und das Arbeitskräfteangebot schrumpfen lassen könnte, sind wir für Robotik und Automatisierung langfristig optimistisch.
In den letzten Jahren hatten Machtwechsel meist nur wenig Auswirkungen auf den S&P 500 als Ganzes. In Trumps erster Amtszeit ist er um etwa 65% gestiegen und damit etwa genauso stark wie in Bidens Präsidentschaft, bis Harris übernahm. Kurzfristig bleiben wir für Aktien optimistisch, und auch mittelfristig sehen wir Wachstumspotenzial.
Datenquelle: Bloomberg
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