2023 hatte ich zum Jahr der Anleihe erklärt. Ganz falsch lag ich nicht
Der Konjunkturausblick spricht für niedrigere Zinsen im neuen Jahr. Vielleicht übertreiben es die Märkte mit ihren Erwartungen ein wenig, aber der absehbare Rückgang von Wachstum und Inflation macht weitere Zinserhöhungen unwahrscheinlicher. Für Credit-Investoren kann das nur gut sein. Die Unternehmensanleihenrenditen sind noch immer ähnlich wie vor einem Jahr, sodass sich Anleger wohl auch 2024 auf ordentliche laufende Erträge freuen können – auch wenn das niedrigere Wachstum gewisse Spreadschwankungen auslösen könnte.
Zinssenkungserwartungen
Wie es scheint, verdient man wegen der ordentlichen Viertquartalsperformance mit Staatsanleihen 2023 doch noch etwas. Nachdem das Leitzinsmaximum erst falsch eingeschätzt wurde, rechnet man jetzt mit starken Zinssenkungen im neuen Jahr. Ende Dezember 2022 erwartete der Terminmarkt einen Anstieg der Federal Funds Rate auf 5,0%, aber dann wurde der Leitzins auf 5,5% erhöht. Für die Europäische Zentralbank (EZB) rechnete man mit 3,5%, aber es wurden 4,0%. Die gleichen Terminmärkte erwarten für 2024 jetzt fast 150 Basispunkte Zinssenkungen in den USA und ähnlich viel im Euroraum – denn man ist sich einig, dass Wachstum und Inflation nachlassen. Natürlich kann niemand garantieren, dass die Prognosen jetzt besser sind als vor einem Jahr, aber die Stimmung hat sich zweifellos stark geändert und die Notenbanken stellen sich nicht mehr ganz so eindeutig gegen den Markt. Das ist der Grund für die sehr gute Staatsanleihenperformance im 4. Quartal.
Realrenditen weiter hoch
Anleihen legten zuletzt kräftig zu, weil der Markt nachdrücklich auf Zinssenkungen im neuen Jahr hofft. Manche Beobachter halten die Kursgewinne aber für übertrieben und glauben, dass die Anleihenrallye ausläuft. Allerdings sind die Renditen in den USA wie in Großbritannien noch immer höher als Anfang 2023, und die Inflation dürfte in den nächsten Monaten weiter fallen. Auch die Realrenditen sind noch immer höher als in den letzten Jahren. Zehnjährige inflationsindexierte Anleihen bieten zurzeit 2,0%, obwohl die Konsenserwartungen für das reale Wirtschaftswachstum 2024 nur 1,2% betragen. Entsprechend attraktiv sind die impliziten Ertragserwartungen.
Anleihen erfüllen ihre Aufgabe
Ein Jahr der Anleihe gab es vor allem am Credit-Markt. 2022 waren die Renditen gestiegen und die Spreads hatten sich ausgeweitet, sodass man günstig einsteigen konnte. Wer das getan hat, konnte sich freuen. Im Schnitt verdiente man mit Investmentgradeanleihen fast 6% in den USA und 6,4% in Europa, und mit internationalen High-Yield-Anleihen sogar 9,5%. Entscheidend dafür waren die Couponrenditen. Anleihen leisteten also das, was man von ihnen erwartete. Bei amerikanischen Investmentgrade-Titeln entfielen über vier Prozentpunkte der knapp 6% auf den laufenden Ertrag, und bei internationalen High-Yield-Anleihen waren es sogar 6 Prozentpunkte.
Für Unternehmensanleihen weiter optimistisch
Was aber kann man jetzt von Unternehmensanleihen erwarten? Ich bleibe optimistisch. Die Renditen sprechen für höhere Erträge als in den letzten zwei bis drei Jahren. Fallende Leitzinsen können Kursgewinne in allen Laufzeitsegmenten ermöglichen, selbst wenn der Zinsrückgang nicht ganz den Erwartungen entspricht. Wenn die Zinsstrukturkurven steiler werden – die Kurzfristrenditen also stärker fallen als die Langfristrenditen – geht das wahrscheinlich mit einem Zinsrückgang über alle Laufzeiten einher. Das macht eine längere Duration attraktiv, zumal in nächster Zeit nicht wirklich mit Leitzinserhöhungen zu rechnen ist.
Schwächere Ratings, höhere Risiken
Credits lagen 2023 vor Staatsanleihen. Bei den derzeitigen Spreads dürfte das auch 2024 so sein, falls nicht eine massive Verschlechterung der Kreditbedingungen zu einer Ausweitung führt. Dieses Risiko besteht zweifellos, da ein schwächeres Wirtschaftswachstum erwartet wird und sich Umsätze und Kreditkennziffern mancher Emittenten verschlechtern könnten. Bei fallenden Aktienkursen weiteten sich meist auch die Credit Spreads, sodass Credits meist dann verloren, wenn auch Aktien schwach waren. Eine Kombination aus weniger Wirtschaftswachstum und enttäuschenden Unternehmensgewinnen hätte daher wohl eine Spreadausweitung zur Folge. Anleihen mit einem niedrigeren Rating sind dann am gefährdetsten, weil ihre Emittenten höher verschuldet und finanziell schwächer sind. Die Broker sind sich daher recht einig, dass sich die Spreads auseinanderentwickeln, weil sie bei Emittenten mit schwächerem Rating stärker steigen. Der Korrelationskoeffizient zwischen Spreads und Aktienerträgen ist bei High Yield am höchsten, doch selbst die Spreads von CCC-Anleihen haben sich zuletzt gegenüber denen von BB-Anleihen verengt. Offensichtlich machen sich Investoren keine zu großen Gedanken über Kreditrisiken – zumal auch CDS, mit denen man sich vor ihnen schützen kann, heute so günstig sind wie noch nie in diesem Jahr. Zwar werden höhere Ausfallquoten prognostiziert, doch sind die Renditen noch immer so hoch, dass sie dies aus Anlegersicht angemessen ausgleichen.
Der Charme von Anleihen
Wertpapiere sind volatil. Bei einem etwas längeren Anlagehorizont ist die Einstiegsrendite maßgeblich für die Ertragserwartungen. Wenn der Bloomberg US Corporate Bond Index wie jetzt fast 6% Rendite bietet, hat man in den folgenden drei Jahren meist etwa 5% bis 9% p.a. verdient (auf Basis der letzten 40 Jahre). Je länger man investiert bleibt, desto stärker nähern sich Gesamtertrag und Einstiegsrendite einander an. Das macht Anleihen so attraktiv. High Yield wiederum ist wegen der höheren Renditen und aktienähnlichen Risiken interessant, vor allem wenn man wegen der derzeitigen Lage gewisse Vorbehalte gegen Aktien hat.
Emerging-Market-Anlagen
Gut hat man auch mit Emerging-Market-Anleihen verdient. Auch hier spielte der laufende Ertrag eine wesentliche Rolle; von den 7,8% Gesamtertrag des JP Morgan EMBI Global Diversified Index seit Jahresbeginn entfielen 5,4 Prozentpunkte auf die Coupons. Die niedrigeren US-Renditen haben sicher geholfen und dürften dies auch im neuen Jahr tun, und wegen der fallenden Inflation werden 2024 wohl viele Emerging-Market-Notenbanken ihre Geldpolitik lockern. Außerdem diversifiziert ein gewisser Emerging-Market-Anteil das Credit-Portfolio.
Gute Markttechnik
Ein Grund für die positive Einschätzung von Credits ist, dass sich die spekulative Kreditaufnahme diesmal in Grenzen hält. Der Nennwert des amerikanischen High-Yield-Markts ist seit 2021 um etwa 15% gefallen, während der des amerikanischen Investmentgrade-Markts (gemessen am ICE BofA US Corporate Bond Index) 2023 vermutlich um 5% ist und das nominale BIP um 6,55% bis 7,0% zugelegt hat. Die Unternehmensfinanzen profitieren noch immer davon, dass sich viele Firmen 2020 bis 2021 längerfristig zu niedrigen Zinsen refinanziert haben. Die Fundamentaldaten könnten sich in nächster Zeit verschlechtern, sind zurzeit aber ordentlich. Viele Unternehmen werden sich mit der Kreditaufnahme jetzt zurückhalten, beträgt die Endfälligkeitsrendite weltweit doch etwa 5% bei einem durchschnittlichen gewichteten Coupon von nur 3,5%. Weil allgemein mit fallenden Renditen gerechnet wird, scheint Abwarten sinnvoll, wenn man sich nicht dringend refinanzieren muss. Zugleich bleibt die Nachfrage hoch und dürfte es wegen des Renditeaufschlags von Unternehmensanleihen gegenüber Staatsanleihen auch bleiben. Das technische Umfeld ist gut.
2023 war das Jahr der Unternehmensanleihe. Die meisten Credits verzeichneten Erträge über dem Zehnjahresdurchschnitt. Unternehmensanleihen lagen vor Staatsanleihen – und in manchen Ländern, etwa in Großbritannien, sogar vor Aktien. Wenn sich die Zinsen stabilisieren und man mit Staatsanleihen wieder mehr verdienen kann, wird 2024 meiner Ansicht nach ein ordentliches Anleihenjahr werden.
Performancedaten/Quellen: Refinitiv Datastream, Bloomberg, Stand 7. Dezember 2023. Die Wertentwicklung der Vergangenheit ist kein Hinweis auf künftige Erträge.
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