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Weltwirtschaft

Kanada: Tür an Tür mit dem Elefanten

IM ÜBERBLICK
Die Zollpolitik ist entscheidend, aber die Folgen dürften sich auf Neuverhandlungen des United States-Mexico-Canada Agreement (USMCA) beschränken. Direkte Zölle sind nicht zu erwarten.
Indirekte Auswirkungen dürfte der Ausgang der Wahlen aber auf Elektrofahrzeugzulieferer haben, auf die Ölproduktion und die Migration ungelernter Arbeitskräfte.
Auch ein Nachlassen der US-Konjunktur nach dem Jahr 2025 dürfte weitreichendere Folgen haben.

Zölle sind das wichtigste Risiko

Die USA sind der wichtigste Exportmarkt für Kanada. Deshalb hängen die möglichen Auswirkungen des Wahlausgangs vor allem von der US-Zollpolitik ab – und das umso mehr bei einem Sieg Trumps. Kanada exportiert etwa 75% seiner Waren und Dienstleistungen in die USA. Diese Exporte machen 25% des BIP aus. Während seiner Wahlkampagne hat Trump bei seiner Androhung eines Pauschalzolls von 10% nicht zwischen den aktuellen Handelspartnern unterschieden. Für Kanadas Exporte hätte eine solche Zollerhöhung erhebliche Folgen. Allerdings wären davon alle Handelspartner betroffen, und es wäre schwierig für die US-Industrie, schnell Alternativen für alle teureren Importe zu finden. Die Business Development Bank of Canada (BDC) rechnet mit einer Belastung des kanadischen BIP-Wachstums von 0,3 Prozentpunkten, aber das erscheint uns zu optimistisch. Wir gehen auch von einer Abwertung des kanadischen Dollar aus, sodass sich die Bank of Canada (BoC) mehr Sorgen um die Inflation machen müsste.

Als Partner im USMCA (bzw. CUSMA) wäre Kanada aber unserer Meinung nach nicht vom angedrohten 10-prozentigen Pauschal­zoll betroffen. Dann wären die Exporte aus Kanada für die USA vergleichsweise günstig, sodass die Nachfrage nach kanadischen Produkten ebenso steigen dürfte wie nach inländischen Erzeugnissen. Dadurch würden sich die Aussichten für 2025 verbessern. Allerdings steht das USMCA im Juli 2026 zur Neuverhandlung an. Schon bei den ursprünglichen Verhandlungen 2017 war Kanada zu Zugeständnissen gezwungen – unter anderem bei der Datenspeicherung, geistigem Eigentum und dem Zugang zum Milchproduktemarkt. 2026 dürfte das kaum anders werden. Dennoch steht Kanada vermutlich nicht ganz oben auf der Liste der Länder, für die Trump Handelshemmnisse plant. Kürzlich führte Kanada einen 100-prozentigen Zoll auf chinesische Elektrofahrzeuge ein. Das zeigt klar, auf wessen Seite das Land steht. Selbst bei den Neuverhandlungen des USMCA dürfte es Mexiko schwerer haben als Kanada, auch wenn jegliche Änderungen auch Auswirkungen auf den kanadischen Handel mit Mexiko hätten, auf den 8% der gesamten Ausfuhren des Landes entfallen.

In seiner ersten Amtszeit hat Trump die Handelspolitik dazu genutzt, weitere Zugeständnisse zu erzwingen. Das dürfte diesmal nicht anders sein. Kanada könnte seine Verteidigungsausgaben erhöhen müssen. Das Land investiert weniger als die 1990 mit der NATO vereinbarten 2% des BIP. In den letzten 30 Jahren beliefen sich die Investitionen meist eher auf gut 1%. Zuletzt hatte Kanada eine Erhöhung auf nur 1,76% (bis 2029/2030) zugesagt. Im Mai schrieben 23 US-Senatoren beider Parteien Premierminister Justin Trudeau deswegen an. Trump könnte zu energischeren Mitteln greifen. Dennoch dürften die Auswirkungen auf Kanada vor allem indirekter Natur sein. Wir gehen zwar nicht davon aus, dass Trump den von US-Präsident Biden verabschiedeten Inflation Reduction Act gänzlich abschaffen wird, aber die US-amerikanische Elektrofahrzeugindustrie steht vor größeren Risiken. Dies könnte Folgen für Kanada haben, das in Erwartung eines Produktionsanstiegs in den USA in die Herstellung von Batterien für Elektrofahrzeuge und die damit verbundenen Lieferketten investiert hat. Im Zusammenhang damit steht die Deregulierung der US-Öl- und Gasbranche unter Trump, die vermutlich einen Anstieg der US-Ölproduktion zur Folge hätte. Dadurch könnten die Margen der kanadischen Ölproduzenten fallen, aber die damit verbundene Disinflation könnte dazu führen, dass die BoC ihre Geldpolitik weniger stark straffen muss.

Beide Präsidentschaftskandidaten dürften die Migration einschränken, aber die von Trump angekündigten Ausweisungen könnten auch Auswirkungen auf Kanada haben. Ein Teil der 11 Millionen illegalen Immigranten in den USA könnte in den Norden fliehen. Kanada war zuletzt recht offen für Einwanderer, aber eine solche Migrationswelle könnte das ändern. Erstens reduziert Kanada derzeit die Zahl der befristeten Arbeitsmigranten, da es Anzeichen dafür gibt, dass sie Einfluss auf die Inflation haben. Zweitens erfolgte die Einwanderung nach Kanada bislang immer kontrolliert – mit einigen wenigen Ausnahmen. Deshalb kamen handverlesene, sehr gut ausgebildete Personen ins Land. Bei einer Migrationswelle aus den USA wäre das vermutlich anders. Außerdem führen einige Marktbeobachter an, dass Kanadas Abkommen mit den USA über sichere Drittstaaten abhängig von der Politik des/der nächsten Präsidenten/-in rechtlich angefochten werden könnte, sodass einige Migranten einen offiziellen Flüchtlingsstatus erhalten könnten. Drittens könnte die US-Politik auch die Zuwanderung aus Drittländern ankurbeln, beispielsweise von Studierenden.

Auch für die Innenpolitik Kanadas hätte eine Präsidentschaft Trumps Folgen. Trudeau geht von einer Wiederwahl im Oktober 2025 aus, aber in den Umfragen liegt seine Liberal Party zurzeit hinter der Conservative Party. Trudeau hat deren Vorsitzenden Pierre Poilievre als „Trump des Nordens“ bezeichnet, was zum Problem werden könnte, wenn Trudeau schwierige Verhandlungen mit Trump führen müsste. Außerdem könnte die populistische Politik Trumps in Kanada ähnliche Spannungen auslösen wie in den USA, was die ohnehin schon eher rechte Innenpolitik noch weiter nach rechts bringen könnte, vor allem, wenn die Zahl der Einwanderer steigt.

Schließlich wird Kanada vermutlich erhebliche indirekte Auswirkungen einer schwächeren US-Wirtschaft zu spüren bekommen. Wir gehen zwar von einem Anstieg des kanadischen BIP aus, wenn es von möglichen US-Zöllen verschont bliebe, aber wenn Trump gewinnt, wird das US-Wachstum nachlassen – nächstes Jahr und vor allem 2026. Zwar könnte die niedrigere Teuerung der Energiepreise die Folgen mindern, aber wenn die Federal Reserve ihre Geldpolitik weniger stark lockert, könnte die BoC zu einer restriktiveren Geldpolitik gezwungen sein, mit einer Abwertung des kanadischen Dollar gegenüber dem Greenback. Als Trudeaus Vater Pierre Premierminister war, sagte er, ein Nachbar der USA zu sein sei, als würde man neben einem Elefanten schlafen: „Man ist von jedem Zucken und jedem Brummen betroffen.“ Diese Zuckungen könnten in den nächsten Jahren erhebliche Folgen haben.

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