Löcher in den Leitungen
- Angesichts der uneinheitlichen Daten dürfte die Geldpolitik straff bleiben: eher ein „Hochplateau“ als ein „Gipfel“. Auch das kann schmerzhaft sein, weil jetzt auch die Zinsen lang laufender Anleihen reagieren.
- Die komplexen „Leitungssysteme“ des Euroraums (ESM und die Bilanz der EZB) erfordern wieder Aufmerksamkeit
Da die jüngsten US-Daten nicht eindeutig waren und weder eine galoppierende Inflation noch eine harte Landung der Realwirtschaft signalisiert haben, stellt sich jetzt eher die Frage, wie lange die Geldpolitik restriktiv bleiben wird und nicht die nach dem notwendigen Ausmaß einer weiteren Straffung. Um es mit François Villeroy de Galhau zu sagen: „Ein Plateau, kein Gipfel.“ Geduld und Umsicht sowie die Eindämmung der Inflation mittels länger anhaltender straffer Bedingungen als anfangs erwartet, ohne es damit zu übertreiben, können helfen, die Finanzstabilität zu schützen. Aus gesamtwirtschaftlicher Sicht mag ein solcher Ansatz optimal sein, für die Märkte ist er allerdings schmerzhaft. Sogar die Zinsen lang laufender Anleihen reagieren auf die Idee der Zentralbankvertreter, ihren Leitzins möglicherweise mehrere Jahre deutlich über dem Gleichgewichtswert zu lassen.
Dauerhaft straffe Finanzbedingungen werden das Gefüge des Euroraums auf die Probe stellen. Die Währungsunion (EWU) betreibt ein sehr komplexes, sich ständig veränderndes „Leitungsnetz“. Vor zehn Jahren wurde sie aufgrund der Staatsschuldenkrise sehr kreativ, und die erfolgreiche Lösung des Problems war nicht zuletzt dem Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) zu verdanken. Die aktuellen von Italien angestoßenen Diskussionen über dessen Reform erinnern daran, dass die EWU kein starres System ist. Wir haben untersucht, ob die Entscheidung der italienischen Regierung, die Ratifizierung von ESM 2.0 zu verschieben, die Trennlinien in der Union zutage treten lässt.
Dennoch ist das Eurosystem, also die EZB zusammen mit den Notenbanken der Mitgliedsländer, das wichtigste Leitungssystem der EWU. Was es zusammenhält, ist der massive Anstieg seiner Bilanzsumme. Doch die Altlasten des Quantitative Easing – enorme Einlagen beim Eurosystem, für die nun beträchtliche Zinsen gezahlt werden – bedeuten auch erhebliche Einkommensverluste für die Zentralbank und damit am Ende auch für die Länder. Nachdem durch die vorzeitige Rückzahlung der TLTRO der größte Teil der Schrumpfung der Bilanzsumme erledigt ist, untersuchen wir, was man tun kann, um sie noch weiter zu senken. Die offensichtlichste Option ist, die Reinvestition des PEPP vorzuziehen, aber das könnte die Finanzstabilität gefährden.
Rechtliche Hinweise