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Was bedeuten die Bankenturbulenzen für Technologiewerte, Geldpolitik und Investoren?


Im Überblick:

  • Die Bankenkrise hat einige systemische Schwächen aufgedeckt und dürfte zu strafferen Kreditbedingungen führen.
  • Die Erwartungen zur Geldpolitik haben sich stark verändert. Das Ende der Zinserhöhungen scheint nah.
  • Für Technologiewerte und ausgewählte Fintech-Aktien bleiben wir optimistisch.
  • Die höheren Credit Spreads sind eine Chance für Anleiheninvestoren. Nachrangige Bank­anleihen (AT1-Kapital) bieten nach der Crédit-Suisse-Übernahme wieder höhere Renditen. Die Neuemissionen dürften sich in Grenzen halten.
  • Alles in allem zeigen die jüngsten Ereignisse, dass eine Straffung der Geldpolitik nicht ohne Risiko ist. Eine große Systemkrise sehen wir aber nicht. Auf beiden Seiten des Atlantiks haben die Behörden schnell gehandelt, um das Anlegervertrauen wiederherzustellen.

Nach dem Zusammenbruch der Silicon Valley Bank (SVB) und der Übernahme der Crédit Suisse durch die UBS waren die Märkte sehr volatil. Natürlich kamen Zweifel an der Stabilität des Banken- und des Technologiesektors auf. Manche Beobachter fühlen sich sogar an die Finanzkrise 2008 erinnert.

Wir halten einen solchen Vergleich nicht für angebracht. Die aktuelle Lage kann aber Auswirkungen auf die Geldpolitik, das Bankensystem und letztlich auch auf das Wirtschaftswachstum haben.

Lesen Sie, wie vier Experten von AXA IM die Situation einschätzen.


Chris Iggo, CIO, AXA IM Core

Der Zusammenbruch der SVB und die Übernahme der Crédit Suisse durch die UBS haben zu großer Unsicherheit über den Wirtschafts- und Marktausblick geführt.

Außerdem fragt man sich, welche ungewollten Folgen eine Straffung der Geldpolitik haben kann.

Mehrere Schwächen des Finanzsystems wurden deutlich. Risikokennzahlen, Credit Spreads und die Zinsvolatilität sind gestiegen. Anleihen wie Aktien reagierten eine Woche lang mit heftigen Kursausschlägen.

Alles in allem glauben wir, dass die Kreditbedingungen straffer werden. Weil sich die Banken jetzt teurer refinanzieren müssen, können sie tendenziell nicht mehr so viele Kredite vergeben. Das wiederum hat Auswirkungen auf den Konjunkturausblick, der sich unserer Ansicht nach jetzt verschlechtert hat.

Diese Woche sind alle Augen auf die Fed gerichtet. Um fast 500 Basispunkte hat die amerikanische Notenbank den Leitzins schon erhöht, und damit wesentlich stärker als sonst in solchen Phasen. Bislang hatten die Märkte mit Zinserhöhungen bis auf gut 5,65% gerechnet. Jetzt ist man sich nicht einmal mehr sicher, ob noch ein Zinsschritt um 25 Basispunkte folgt. Die Erwartungen haben sich also drastisch geändert. Dem Terminmarkt zufolge werden die Zinsen in der zweiten Jahreshälfte sogar gesenkt. Warten wir ab, was die nächsten Notenbanksitzungen bringen. Einstweilen sieht es aber danach aus, dass die Zinserhöhungen bald vorbei sind.

Trotz der plötzlichen Probleme im Bankensektor sehen wir keine Neuauflage von 2008. Damals waren die vielen notleidenden Immobilienkredite das Problem. Die Ereignisse der letzten zehn Tage dämpfen aber den Weltwirtschaftsausblick. Manche Anleihenarten – wie kurz laufende Credits – dürften davon profitieren. Für die beste Antwort auf die neuen Herausforderungen halten wir einen gut durchdachten, aktiven und diversifizierten Investmentansatz.


Vincent Vinatier, Portfolio Manager, Equity, AXA IM Core

Die jüngsten Probleme in den USA hatten unternehmensspezifische Gründe. Das darf man nicht übersehen. Die Kunden der SVB waren vor allem Technologie-Start-ups, die während und nach Corona stark gewachsen sind und über viele liquide Mittel verfügten. Um mehr zu verdienen, hat die Bank deren Einlagen in den letzten zwei Jahren in – überwiegend lang laufende – US-Staatsanleihen investiert. Das ist eigentlich nichts Besonderes.

Aber dann gerieten die Bankkunden unter Druck und begannen schließlich, ihre Guthaben aufzulösen. Da die Zinsen letztes Jahr stark gestiegen waren, bescherten die daraufhin nötigen Staatsanleihenverkäufe der SVB hohe Verluste. Gerüchte über eine Schieflage kamen auf. Wenn das Vertrauen einmal dahin ist, ist es dahin. Immer mehr Guthaben wurden abgezogen. Am Ende kam es zum Bank Run.

Natürlich hat das auch mit den Besonderheiten des Einlagengeschäfts in den USA zu tun. Guthaben bis zu 250.000 US-Dollar sind versichert. Investoren und Einleger wissen aber auch, dass größere Banken im Zweifel gerettet werden – Too big to fail –, sodass ihre Guthaben dort faktisch vollständig garantiert sind. Großbanken sind auch strenger reguliert. Die Kapital- und Liquiditätsanforderungen sind höher, und anders als bei kleineren Banken finden regelmäßige Stresstests statt. Bei steigenden Zinsen führt dieses Ungleichgewicht zu Problemen. Kleinere Regionalbanken geraten unter Druck.

Man wird nicht alle Bankguthaben über 250.000 US-Dollar bei allen Instituten versichern können. Um das System langfristig zu stabilisieren, wird man vermutlich die Regulierung verschärfen und kleineren Banken höhere Kapital- und Liquiditätsanforderungen auferlegen. Aber das hat große wirtschaftliche Folgen: Wenn man von den kleineren Instituten höhere Kapitalquoten verlangt, werden sie weniger Kredite vergeben. Niedrigere Zinsen könnten zwar Abhilfe schaffen, aber bei einer hartnäckigen Inflation wird das zu einem schwierigen Balanceakt.

Wir rechnen daher mit weniger Innovationen im FinTech-Sektor. Etablierten Kreditinstituten – mit einer guten Marktposition und ordentlichen Cashflows – droht daher nicht mehr so viel Konkurrenz durch neue Wettbewerber. Die stärkeren Banken haben dann wieder mehr Preismacht, was für sie mittelfristig nur gut sein kann.


Jeremy Gleeson, Head of Investment Team, Equity, AXA IM Core

Die SVB war ein wichtiger Finanzdienstleister für den amerikanischen Technologiesektor. Eine schwächere Technologiekonjunktur und weniger Wagniskapitalinvestitionen in Start-ups hatten zur Folge, dass die SVB-Kunden viel Geld verbrannten und Guthaben auflösen mussten. Das war der Todesstoß für die SVB.

Insgesamt war der Technologiesektor aber auch in den letzten Wochen recht stabil. Viele börsennotierte Unternehmen teilten mit, dass sie nahezu kein Geschäft mit den Problembanken gemacht hatten. Weil die Fed und andere Institutionen in den USA schnell eingriffen und Garantien gaben, hielten sich die Auswirkungen auf Technologieaktien in Grenzen.

Marktschocks können immer auch Zweitrundeneffekte nach sich ziehen. Viele der aus unserer Sicht interessantesten Technologieunternehmen wachsen dennoch weiter, wenn auch nicht mehr so stark wie 2020 und 2021. In diesen beiden Jahren profitierten sie extrem von Corona.

Generell bewirkt aber jede Art von Unsicherheit, dass Projekte und Käufe um einige Wochen oder Monate verschoben werden, bis man klarer sieht.

Technologieunternehmen kann das grundsätzlich schaden. Allerdings sind immer mehr von ihnen, vor allem im Bereich Software-as-a-Service, in den letzten zehn Jahren zu Abonnementmodellen übergegangen. Manche neue Kunden mögen also mit der Vertragsunterzeichnung zögern, doch entfällt der überwiegende Teil des Umsatzes auf Altverträge. Die Umsatz- und Cashfloweinbußen dürften sich daher in Grenzen halten.

Spannend finden wir nach wie vor eine Reihe neuer, kommerziell interessanter Themen in den Bereiche Software, Halbleiter und Internet. Hier sind erfolgreiche und finanzstarke Unternehmen tätig, die selbst in Zeiten einer Bankenkrise investieren können. Für besonders stabil halten wir auch den Cybersicherheitssektor. Die Wirtschaft weiß, dass sie sich besser schützen muss. Daran ändert auch eine schwächere Konjunktur nichts.


Ismael Lecanu, AXA IM Head of Euro Investment Grade and High Yield

Für viele Marktteilnehmer war der Niedergang der Crédit Suisse ein Schock, vor allem wegen des Umgangs mit nachrangigen AT1-Anleihen. Sie galten zwar durchweg als risikoreicher, doch war man gewohnt, dass sie vor Aktien bedient werden. Es mag nicht so aussehen, aber auch diese Krise hat gezeigt, dass erstrangige Titel recht sicher sind.

Zugleich sah man aber, dass Bankanleihen insgesamt riskant sind und dafür ein Ausgleich in Form höherer Renditen nötig ist. Auch bei strenger Regulierung und einer ordentlichen Qualität der Aktiva kann eine Liquiditätskrise eine Bank in 24 Stunden hinwegfegen.

Wir bleiben in AT1-Anleihen investiert, meist von klassischen Geschäftsbanken statt von Investmentbanken, und werden daran – unter Berücksichtigung von Fundamentaldaten und Risiken – nichts ändern. Neue AT1-Emissionen werden vermutlich sehr viel höhere Renditen bieten müssen, doch rechnen wir in den nächsten Wochen ohnehin nicht mit einem großen Neuangebot. Es wäre für die Emittenten jetzt einfach zu teuer, zumal viele Banken ohnehin abwarten können, bis sich der Markt stabilisiert hat. Und damit rechnen wir, wenn auch – wenig überraschend – auf einem etwas höheren Renditeniveau als zu Jahresbeginn.

Die allermeisten europäischen Banken sind nicht mit der Crédit Suisse zu vergleichen, weder beim Geschäfts- noch beim Finanzierungsmodell. Die Crédit-Suisse-Krise scheint ein Einzelfall. Hinzu kommen Unterschiede zwischen den USA und Europa. Die europäische Regulierung scheint uns besser, und die Ereignisse der letzten Woche haben an dieser Einschätzung nichts geändert. Die Europäische Zentralbank hat einen reichen Instrumentenkasten, mit dem sie das Vertrauen in das Bankensystem stärken kann.

Ein Risikofaktor könnten allerdings die konjunkturellen Folgen der Krise sein. Wir werden die nächste europäische Kreditstatistik und die Erstquartalszahlen genau analysieren, um Hinweise auf längerfristige Probleme und Abflüsse von Guthaben zu finden. Interessant wird auch sein, welche Institute in dieser schwierigen Zeit ihren Marktanteil gesteigert haben.


Fazit

  • Die Zinserhöhungen dürften schneller beendet werden als bislang erwartet. Am Terminmarkt rechnet man jetzt mit Zinssenkungen in den USA ab der Jahresmitte und nur noch wenigen Zinserhöhungen im Euroraum.
  • Manche Anleihenarten – etwa kurz laufende Credits – dürften von der Situation profitieren. Für Technologie- und FinTechaktien bleiben wir optimistisch.
  • Themen wie Künstliche Intelligenz und das Metaversum finden wir weiterhin spannend. Erfolgreiche Unternehmen investieren hier sehr viel. Auch eine Bankenkrise dürfte ihnen keine Schwierigkeiten machen.
  • Für besonders krisenfest halten wir das Thema Cybersicherheit. Die Unternehmen wissen, dass sie hier mehr tun müssen. Daran ändert auch eine schwächere Konjunktur nichts.
  • Der Niedergang der Crédit Suisse scheint ein Einzelfall. Außerdem gibt es Unterschiede zwischen den USA und Europa. Die europäische Regulierung scheint uns besser, und die Ereignisse der letzten Woche haben an dieser Einschätzung nichts geändert.
  • Wir erleben keine Neuauflage von 2008. Kreditqualität und Kapitalausstattung der Banken sind heute sehr viel besser als damals. Die jüngsten Ereignisse zeigen aber, dass eine Straffung der Geldpolitik nicht ohne Risiken ist. Die Märkte gewöhnen sich jetzt daran.

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