Investment Institute
Die Sicht des CIO

Geschüttelt, nicht gerührt


Lange waren die Renditen niedrig, und dann brachen wegen der Zinserhöhungen die Kurse ein. 2024 haben sich Anleihen aber kräftig erholt. Für Festzinstitel waren die Erträge im 3. Quartal spektakulär, vor allem wegen der wachsenden Hoffnungen auf fallende US-Leitzinsen. Eine Wiederholung ist zwar unwahrscheinlich, aber die zahlreichen Risiken sprechen für eine anhaltend hohe Nachfrage. Die Volatilität steigt, obwohl eine weiche Landung immer wahrscheinlicher wird. Wenn der Markt zwischen stabilen Fundamentaldaten und hoher Unsicherheit hin- und hergerissen wird, entstehen Chancen. Zum Jahresende sollte man auf laufenden Ertrag und hohe Kreditqualität achten.


Mr. Bond, wir haben Sie erwartet

Das 3. Quartal war für Anleiheninvestoren außerordentlich gut. ICE Bank of America hat die Vierteljahresperformance wichtiger Anleihenindizes ausgewertet. Demnach war es das zweitbeste der 49 Quartale seit dem 3. Quartal 2012; für internationale Credits war es das drittbeste, für US-High-Yield das viertbeste. Es war erst das dritte Quartal seit Beginn der Zinserhöhungen der Fed, dass US-Staatsanleihen vor dem amerikanischen Geldmarkt und europäische Staatsanleihen vor dem Euro-Geldmarkt lagen. Von Oktober 2023 bis September 2024 verzeichneten internationale Investmentgrade-Anleihen den höchsten 12-Monats-Ertrag aller Zeiten.

Da die Geldmarktzinsen fallen und die Anleihenrenditen wegen der lockereren Geldpolitik durchaus noch weiter nachgeben könnten, bleiben Anleihen für Anleger interessant. Das gilt natürlich erst recht, wenn man mit einer Rezession in den USA oder einer Eskalation im Nahen Osten rechnet. Schon länger halte ich die amerikanische Zehnjahresrendite für fair, und in den letzten Wochen hat sie sich bei 3,75% bis 4,0% stabilisiert. Sie könnte aber weiter fallen, wenn die Risikobereitschaft nachlässt.

Neutraler

Die zentralen Konjunkturerwartungen – eine weiche Landung – sprechen eigentlich dafür, dass an den Anleihenmärkten das Beste schon hinter uns liegt. In den letzten Monaten gingen die Leitzinserwartungen stark zurück, was hohe Erträge brachte. Ende April erwartete man am Terminmarkt für Ende 2025 einen US-Dreimonatszins von 4,7%; heute sind es nur 3%. Ohne klare Rezessionszeichen ist kaum damit zu rechnen, dass die Erwartungen weiter so stark zurückgehen. Um noch einmal so viel zu verdienen, müsste die US-Zehnjahresrendite auf etwa 3% fallen. Ich glaube allerdings, dass Anleger die Zinsentwicklung jetzt neutraler einschätzen.

Oder doch nicht?

In den letzten Wochen war es interessant, mit Kunden über Anleihen zu sprechen. Unabhängig davon, ob sie an der Rallye partizipiert haben oder nicht, scheinen sie sich Gedanken zu machen. Für mich passen die derzeitigen Markterwartungen zu einer weichen Landung und einer Rückkehr zu neutralen Leitzinsen im nächs­ten Jahr. Aber es kann auch anders kommen. Zunächst einmal können wir eine Rezession nicht ausschließen, auch wenn niemand genau weiß, was sie auslösen könnte. Manche sehen eine Aktienmarktblase, die platzen könnte; andere fürchten aufgrund „irrationaler Übertreibungen“ eine nachlassende Kreditqualität – weil sich bei fallenden Zinsen mehr finanzschwächere Unternehmen Geld leihen. Denkbar ist auch ein Abschwung, weil sich die Arbeitsmarktlage allmählich verschlechtert und die schwache Industriekonjunktur auf die Gesamtwirtschaft übergreift. Diese Woche hat das Institute of Supply Management seinen September-Einkaufsmanagerindex für das Verarbeitende Gewerbe veröffentlicht. Zum 22. Mal in den letzten 23 Monaten lag er unter 50. Das spricht meist für einen Abschwung der US-Wirtschaft auf breiter Front.

Trump

Der zweite große Unsicherheitsfaktor für den Zinsausblick ist die Möglichkeit einer inflationstreibenden zweiten Präsidentschaft Trumps, verbunden mit der Angst vor einer Haushaltskrise in den USA. Darüber hatte ich schon letzte Woche geschrieben. Abgesehen von einem möglichen Anstieg der Risikoprämien für lang laufende US-Staatsanleihen hat der Haushaltsausblick aber bislang kaum Auswirkungen auf die Kapitalströme. Das Thema beschäftigt die Kunden dennoch, vor allem in Europa.


Öl bleibt wichtig

Die Menschen neigen dazu, sich Sorgen zu machen. Die Verschärfung der Auseinandersetzungen im Nahen Osten zeigt, dass immer etwas passieren kann, das alles verändert. Die Eskalation kann die Zinserwartungen beeinflussen, weil Störungen der Ölversorgung das Wachstum dämpfen und die Inflation treiben können. Schon jetzt reagieren die Ölmärkte darauf, dass Israel die iranischen Förderanlagen angreifen könnte. Die im Dezember fälligen Brent-Futures haben sich gegenüber dem letzten Tief um 8 US-Dollar je Barrel verteuert. Allerdings ist die Terminkurve noch recht flach; offensichtlich rechnen die Ölhändler nicht mit langfristigen Auswirkungen auf die Preise. Öl ist zwar nicht mehr so wichtig wie früher, aber die weltweiten Auswirkungen des Energiepreisschocks 2022 auf Inflation und Wirtschaftswachstum sind noch nicht vergessen.

Abwarten

Viele Anleger würden erst einmal abwarten, sagte ein Kunde zu mir. Man will erst klarer sehen, ob in den USA ein erneuter Inflationsanstieg (ausgelöst durch die Fiskalpolitik) oder eine Rezession wahrscheinlicher ist als das Goldilocks-Szenario, an das der Markt zurzeit glaubt. Man will wissen, wer US-Präsident wird, wie es zwischen dem Iran und Israel weitergeht, wie sich die politische Lage in Europa entwickelt und ob China wirklich etwas gegen die Deflationsspirale tut. Beim letzten Punkt sind wir jedenfalls skeptisch. Nach den großen Gewinnen chinesischer Aktien seit der Lockerung der Geldpolitik sehen wir für Anleger aber ohnehin nicht mehr viel Potenzial.

Credits lohnen sich

Abwarten und sich über die Coupons freuen ist das Motto, wenn keine fallenden Zinserwartungen mehr für Kursgewinne sorgen, sollte man die Mehrerträge von Credits in den Blick nehmen. Die Ausfälle amerikanischer High-Yield-Anleihen sind noch immer niedrig, sodass die Renditen sie mehr als ausgleichen dürften. Warum sollte man nicht die 110 bis 120 Basispunkte Zinsaufschlag schwächerer US-Investmentgrade-Titel oder die 105 Basispunkte Aufschlag gegenüber Euroswaps nutzen? Wer in High Yield investiert, kann sich im Euroraum über 6% und in den USA über 7% Indexrendite freuen. Und bei Aktien rechne ich mit überzeugenden Drittquartalszahlen der Technologieunternehmen. Die Marktbeobachter scheinen begeistert vom neuen iPhone und der Chip-Pipeline von NVIDIA.

Einige typische Kundenfragen – und meine Antworten

Droht den USA eine Rezession? Wer weiß das schon. Eine Rezession kann schnell kommen, aber die Unternehmensfinanzen sind insgesamt gut, die Arbeitslosigkeit ist niedrig, und die Fiskalpolitik wird nicht gestrafft. Das Umfeld für Aktien und Unternehmensanleihen bleibt günstig. Wird Chinas Regierung wieder Wachstum und Vertrauen schaffen? Nun, der Aktienmarkt hat sich gerade erholt, aber ich bezweifle, dass noch mehr kommt. Noch wissen wir nicht, ob die Maßnahmen reichen, damit sich die Unternehmensfinanzen wieder verbessern. Sollten uns das hohe US-Haushaltsdefizit und die Staatsverschuldung Sorgen machen? Nein. Jedenfalls so lange nicht, wie es keinen Käuferstreik gibt, also eine geringe Nachfrage nach neuen US-Staatsanleihen oder einen fallenden Dollar als Hinweis auf nachlassendes Interesse internationaler Anleger. Im Vertrauen: Ein Einbruch des amerikanischen Staatsanleihenmarktes aufgrund der Fiskalpolitik ist extrem unwahrscheinlich – und falls doch, wären auch andere Assetklassen betroffen. Die Credit Spreads würden sich ausweiten, und Aktien würden ebenfalls leiden, da eine straffere Fiskalpolitik das Wirtschaftswachstum bremsen kann. Und wenn die USA niesen, bekommen die übrigen Länder bekanntermaßen einen Schnupfen. Sind Aktien überbewertet? Zurzeit liegt das KGV des S&P 500 auf Basis der erwarteten 12-Monats-Gewinne etwa 1,4 Standardabweichungen über dem Dreijahresdurchschnitt. Bei anderen Indizes – dem NASDAQ, dem EuroStoxx und dem britischen Mid-Cap-Index – sind die KGV hingegen nicht weit vom Dreijahresdurchschnitt entfernt. Die hochkapitalisierten Technologieaktien aus den USA sind zwar wesentlich höher bewertet, aber nicht deutlich teurer als früher. Apple hat ein KGV von 34, ist aber extrem rentabel; die operative Marge betrug im 2. Quartal über 30% und die Eigenkapitalrentabilität knapp 160%. Solange man mit einer weichen Landung rechnen kann, scheint eine pessimistische Aktienmarkteinschätzung angesichts der hohen Unternehmensgewinne und der Marktliquidität (Geldmarktfonds, Private Credit) unangebracht.

Laufender Ertrag und Qualität

Natürlich gibt es viele Risiken. Es ist aber schwer abzuschätzen, wie die Märkte darauf reagieren. Die CDS-Indizes, der VIX Index für die Aktienmarktvolatilität und die amerikanische Break-even-Inflation sind in den letz­ten Wochen gestiegen. Man braucht nicht viel Fantasie, um angesichts der unsicheren Weltlage bis zum Jahresende mit einer höheren Volatilität zu rechnen. Dann ist es klug, bei Anleihen auf laufenden Ertrag und bei Aktien auf Qualität zu achten.

Performancedaten/Quellen: LSEG Workspace Datastream, Bloomberg, AXA IM, Stand 3. Oktober 2024, falls nicht anders angegeben. Die Wertentwicklung der Vergangenheit ist kein Hinweis auf künftige Erträge.

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