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Weltwirtschaft

Die Tücken der Inflationsschuldzuweisung


  • Wir zweifeln an der These der EZB, dass die anhaltende Inflation vor allem den Gewinnmargen zuzuschreiben ist.
  • Umschichtungen von Bankeinlagen sind nicht ungewöhnlich, aber Nicht-Banken können nicht die gesamte von den Banken hinterlassene „Kreditvergabe-Lücke“ schließen.

Im März ist die Kerninflation im Euroraum erneut gestiegen. Zugleich könnte es mit dem Rückgang der Energiepreise, der dazu beiträgt, die Gesamtinflation im Zaum zu halten, nach der am Wochenende von der OPEC angekündigten Angebotskürzung bald vorbei sein. Die Frustration der EZB ist verständlich, aber uns bereitet die Tatsache Kopfzerbrechen, dass sie die noch immer hohen Gewinnmargen als Hauptschuldigen für die anhaltende Inflation betrachtet. Eine solche Argumentation könnte die Position jener stärken, die sehr starke Lohnerhöhungen fordern, und die Aufrufe der EZB an die Stakeholder, bei den Lohnverhandlungen mit Vorsicht zu agieren, schwächen. Auch fundamental betrachtet sehen wir keine Vorteile darin, dass die Zentralbank nach wie vor die Preispolitik der Unternehmen für inflationstreibend hält, die anders als Lohnverhandlungen absolut dezentral erfolgt. Möglicherweise berücksichtigen die Gewerkschaften bei ihren Forderungen auch, dass bei steigenden Zinsen aufgrund zu hoher Lohnanstiege weniger neue Stellen geschaffen würden, aber die Unternehmen treffen ihre Preisentscheidungen einzeln, und das ist gemäß der expliziten Wettbewerbsförderung der EU auch gut so. Bei einem völlig freien Wettbewerb sind übermäßig hohe Gewinnmargen in der Regel ein Zeichen für eine übermäßige Nachfrage. Sonst wären höhere Margen naturgemäß nicht durchsetzbar. Ob weitere Zinserhöhungen nötig sind, um diese Nachfrage zu dämpfen, muss die Zentralbank entscheiden.

Die Marktindikatoren signalisieren, dass sich die Lage im Bankensektor wieder etwas beruhigt hat, und nach den aktuellen Daten der Fed verlieren kleine Banken keine Einlagen mehr. Im US-Bankensektor insgesamt sieht das allerdings anders aus. Hier gehen die Bankeinlagen weiter zurück.  Wir werfen einen Blick auf die letzten 40 Jahre, um zu zeigen, dass Umschichten von Bankeinlagen in Nicht-Banken oder zumindest in Anlageformen, die für Banken teurer sind, nicht ungewöhnlich, sondern eine normale Reaktion auf eine restriktivere Geldpolitik sind.  Wir bezweifeln allerdings, dass Nicht-Banken die gesamte „Kreditvergabe-Lücke“ schließen können, die Banken hinterlassen haben. Die Risikoaversion ist hoch, und wie die jüngsten Entwicklungen von US-Geldmarktfonds signalisieren, könnten sich staatliche Emittenten ohne Intermediäre besser finanzieren als private.

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