Was man weiß, und was man raten muss
- Das Thema „digitale Zentralbankwährungen“ wird immer heißer diskutiert. Einer allgemeinen Einführung stehen nicht wenige politische und technische Hürden entgegen.
- Wir untersuchen, was die Fed und die EZB wissen und was sie „raten“ müssen. Eine Zinspause ist in den USA wahrscheinlicher als im Euroraum.
Digitale Zentralbankwährungen (CBDCs) gelten als guter Mittelweg, weil sie die technischen Vorteile von Kryptowährungen nutzen, ohne mit deren Risiko für die Finanzstabilität verbunden zu sein. Die Zentralbank-Community hat das Thema vorsichtig vorangetrieben, aber einige wichtige Akteure zögern noch. Fed-Gouverneurin Bowman hat letzte Woche eine lange Liste mit Argumenten gegen CBDCs vorgetragen, bezog aber am Ende ihrer Rede nicht eindeutig Stellung, sondern forderte einfach nur „weitere Analysen“. Jene, die sich aufgrund des politischen Potenzials für CBDCs aussprechen und dabei darauf verweisen, dass sich mit ihnen die Leitzinsuntergrenzen effizient steuern lassen, könnten allerdings die politischen und technischen Fallstricke unterschätzen. Die meisten Befürworter von CBDCs in unbegrenzter Menge räumen deren Risiken für das Bankensystem ein. Durch die jüngsten Turbulenzen im Bankensektor ist dieses Argument möglicherweise gewichtiger geworden.
Der April war für die Fed und die EZB ein ruhiger Monat, aber der Mai dürfte spannend werden. Deshalb haben wir untersucht, was die beiden Zentralbanken „wissen“ (klare Aussagen der verfügbaren Daten) und was sie „raten“, also aus den jüngsten Entwicklungen schließen, müssen. Aus unserer Sicht ist die Lage im Euroraum anders als die in den USA. Jenseits des Atlantiks sprechen die Daten für eine Abkühlung der Inflation, und die Folgen der Turbulenzen im Bankensektor liegen bereits klar auf der Hand – auch wenn die Finanzstabilität gesichert scheint. Um zu erkennen, dass eine Zinspause nach „einer letzten“ Erhöhung im Mai sinnvoll ist, bedarf es keines übermäßigen Interpretationstalents. Im Euroraum braucht man dagegen eine Lupe, um einen Rückgang der Kerninflation auszumachen. Zugleich signalisieren maßgebliche Indikatoren, dass sich die Realwirtschaft gut behauptet, was zu einer nachfragebedingten Inflation führen kann. Gemessen an den Kreditdaten zeigt die Straffung der Geldpolitik Wirkung, aber die Einschätzungen der Auswirkungen der Turbulenzen im Bankensektor sind ein „Ratespiel“. Hinzu kommt, dass die Löhne zwar insgesamt bislang nur langsam steigen, dennoch können die jüngsten Tarifeinigungen, beispielsweise die sehr großzügigen Gehaltserhöhungen im öffentlichen Dienst in Deutschland, als Zeichen dafür betrachtet werden, dass die Löhne schon bald die Gewinnmargen als wichtigsten Inflationstreiber ablösen werden. Der Gedanke, dass weiterer Handlungsbedarf besteht und es mit einer weiteren Zinserhöhung nicht getan ist, drängt sich im Euroraum eher auf als in den USA.
Rechtliche Hinweise