Die Abstimmungsgrundsätze von AXA IM: Fünf wichtige Fragen
Welche Rolle spielen Abstimmungen auf Hauptversammlungen für Ihre Strategie für verantwortliches Investieren?
Wir wollen bei der Finanzierung des Wandels zu einer grüneren und nachhaltigeren Welt eine maßgebliche Rolle spielen. Im Rahmen dessen engagieren wir uns gezielt bei Unternehmen, um sie zu positiven Veränderungen anzuhalten. Das ist ein Grundpfeiler des verantwortlichen Investierens bei AXA IM, und wir prüfen ständig Wege, den Dialog mit Unternehmen so effizient und wirkungsvoll wie möglich zu gestalten. Das kann man auf dreierlei Weise tun: (1) durch die Kommunikation klarer Ziele an die Geschäftsleitung, (2) durch regelmäßige Treffen zur Prüfung und Beurteilung der Fortschritte und (3) mit Abstimmungen auf Basis unserer Überzeugungen oder gegebenenfalls anderen Arten der Eskalation. Durch unseren aktiven Dialog mit Unternehmen können wir unsere Investments besser kontrollieren und Kontakte pflegen. Dies kann zu Verbesserungen führen, die der Gesellschaft, der Umwelt und schließlich auch unseren Kunden nutzen.
Eskalation ist ein wichtiger Aspekt dieses Prozesses. Indem wir unsere Stimmrechte auf Hauptversammlungen (HVen) wahrnehmen, können wir der Geschäftsleitung unsere Standpunkte, die auf Analysen und den Fortschritten unseres Engagements beruhen, klar kommunizieren und sie stark vertreten. Wir haben unseren Kunden versprochen, verantwortlich mit ihrem Vermögen umzugehen, und sind überzeugt, dass zielgerichtete Abstimmungen helfen, dieses Versprechen einzuhalten – auch weil wir unser beträchtliches verwaltetes Vermögen nutzen, um einer gemeinsamen Botschaft Nachdruck zu verleihen. Aus unserer Sicht können Investoren am besten auf Unternehmen einwirken, wenn sie gemeinsam agieren und an einem Strang ziehen. Gerade jetzt, da die Rolle der Finanzbranche bei der Umgestaltung unserer Welt von Politik und Regulierungsbehörden genau unter die Lupe genommen wird, könnte eine Zersplitterung der Abstimmungsentscheidungen in möglicherweise Hunderte von einzelnen Anlegerstimmen den beträchtlichen Einfluss der Vermögensverwaltungsbranche verwässern und zu einer Abkopplung der Abstimmungen von den Engagementaktivitäten führen.
Unser Vorteil, zielgerichtet und als großer Investor abstimmen zu können, geht mit einer Verantwortung einher: Unsere Analysen müssen exakt sein; wir brauchen robuste Stewardship-Richtlinien sowie eine stabile Governance, und wir müssen transparent agieren. Neben der bereits bestehenden Berichterstattung auf Unternehmens- und Fondsebene gehen wir 2022 einen Schritt weiter. Wir berichten öffentlich über eine Reihe unserer Engagementaktivitäten und wollen unseren Stakeholdern zudem Wissen vermitteln.
Was sind die wichtigsten Grundsätze Ihrer Richtlinien, und was macht sie besonders?
Unsere Abstimmungsgrundsätze und ihre Umsetzung sind aus unserer Sicht tatsächlich etwas Besonderes. Jede Entscheidung beruht auf unseren Werten.
Abstimmungen sind nur eines von mehreren Instrumenten, über die wir uns mit Emittenten austauschen und sie auf ihrem Weg in eine nachhaltige Zukunft begleiten können. Wir verfolgen einen umfassenden Ansatz, der den Unternehmen die Möglichkeit zu Verbesserungen gibt, die wir für notwendig halten. Deshalb lassen unsere Abstimmungsgrundsätze die Berücksichtigung besonderer Umstände zu – sogar dann, wenn die Maßnahmen oder die Strategie eines Unternehmens unsere Prinzipien einer guten Corporate Governance nicht erfüllen. Zu diesen besonderen Umständen zählen Standort, Unternehmensgröße und Marktkapitalisierung, die Größe unseres Anteils und vor allem der Status unseres Engagements bei der Geschäftsleitung und Boardmitgliedern des betreffenden Unternehmens. Unsere Abstimmungsentscheidungen richten sich nach den Ergebnissen des regelmäßigen Dialogs, mit dem wir versuchen, das Geschäft, den Sektor und die individuellen Herausforderungen eines Unternehmens zu verstehen. Aus unserer Sicht können wir dadurch besser erkennen, an welcher Stelle wir in einem Unternehmen positive Veränderungen anstoßen sollten, und diese Chance dann auch nutzen.
Unsere Standpunkte zu ökologischen, sozialen und governancebezogenen Themen (ESG) fließen in unsere Abstimmungsgrundsätze ein, die wir jährlich überprüfen. Dies sind die Prinzipien unserer Abstimmungsgrundsätze:
- Analyse von Anträgen: Wir bei AXA IM wollen vor einer Abstimmungsentscheidung immer gut informiert sein. Deshalb analysieren die Mitglieder unseres Corporate-Governance-Teams jeden zur Abstimmung gestellten Antrag einzeln. Unterstützt wird diese interne Analyse von unserem Dialog mit Portfoliounternehmen, aber auch durch Analysen von Abstimmungsberatern wie Institutional Shareholder Services (ISS) und Proxinvest. Wir nutzen zwar die Plattform von ISS zur Abstimmung, prüfen Anträge aber immer auf Grundlage unserer Abstimmungsgrundsätze.
- Keine Enthaltungen: AXA IM stimmt grundsätzlich mit Ja oder Nein und enthält sich nur in seltenen Fällen, also wenn besondere Umstände vorherrschen.
- Unterstützung von Anträgen der Verwaltung: Als Vorreiter des Wandels wollen wir Unternehmen, in die wir investieren, unterstützen, indem wir die Anträge der Verwaltung annehmen, solange kein großes Problem auftaucht oder eine vorab festgelegte Grenze überschritten wird. Wenn wir aufgrund des Tagesgeschäfts eines Unternehmens Zweifel haben, dass es auf dem richtigen Weg ist, lehnen wir Anträge der Verwaltung ab, unterstützen Aktionärsanträge oder beteiligen uns daran. In diesen Fällen, die wir als zusätzlichen Hebel zum Anstoß von Veränderungen betrachten, bemühen wir uns vor der Hauptversammlung um ein Engagement bei dem Unternehmen.
- Engagement: Wenn ein Antrag nicht unseren Grundsätzen und/oder unseren Governance-Standards entspricht oder nicht dem Schutz der langfristigen Interessen der Aktionäre dient, versuchen wir uns bei dem Unternehmen zu engagieren, bevor wir einen Antrag ablehnen. Eine solche Ablehnung erfolgt nach bestem Wissen und Gewissen, abhängig von mehreren Faktoren, einschließlich der Relevanz des ESG-Risikos im Zusammenhang mit dem Antrag und der Größe unserer Beteiligung an dem Unternehmen. Diesem Ansatz liegt die Idee eines sehr zielgerichteten Abstimmungsverhaltens zugrunde, die damit zusammenhängt, dass wir dem Engagement bei Unternehmen eine große Bedeutung beimessen. Wir sind überzeugt, dass Dialog das wichtigste Instrument ist und versuchen, Unternehmen vor der Abstimmung davon in Kenntnis zu setzen, dass wir möglicherweise mit Nein stimmen werden und warum. Auch bei Unternehmen, die nicht Teil unseres Engagements sind, bemühen wir uns nach Kräften, sie von unseren Abstimmungsabsichten zu informieren.
- Einbindung ökologischer und sozialer Themen: Wir halten diese Themen für maßgeblich für das Unternehmensverhalten und sind der Meinung, dass sie von der obersten Führungsebene des Unternehmens behandelt werden sollten. Deshalb sind sie in der Regel ein wichtiger Teil unseres Engagements. Auch aus diesem Grund haben wir entschieden, sie in unsere Abstimmungsgrundsätze und unseren Ansatz einzubinden. Ziel ist, Unternehmen dazu anzuhalten, bewusster mit den für sie relevanten ökologischen und sozialen Chancen und Risiken umzugehen. Im Folgenden finden Sie hierzu weitere Einzelheiten.
Welche wichtigen Veränderungen nehmen Sie 2022 an Ihren Grundsätzen vor?
2022 werden wir weiter unsere ESG-Überzeugungen in unsere Abstimmungsgrundsätze einbinden und einige Änderungen vornehmen, weil sich Unternehmen und Gesellschaft aus unserer Sicht auch verändert haben. Wir meinen, dass man ökologische und soziale Themen nicht gesondert betrachten darf. Sie müssen Teil der Governance, der Strategie und der Ziele der Portfoliounternehmen sein. Deshalb werden wir unsere ESG-Überzeugungen auch bei „traditionellen“ Anträgen noch stärker berücksichtigen, vor allem bei den folgenden:
Board-Governance: Wir informieren uns über die ESG-Fähigkeiten und -Erfahrungen von Boardmitgliedern, um sicherzustellen, dass das Board ESG-Chancen und -Risiken wirksam kontrollieren und steuern kann.
Vergütung: Wir prüfen die Verknüpfung der Führungskräftevergütung mit ESG-Fragen und halten Unternehmen an, konkrete, relevante und aussagekräftige Leistungsindikatoren (KPIs) einzuführen.
Unternehmensberichterstattung: Wir drängen auf eine robuste nicht finanzielle Berichterstattung, die in wichtigen Sektoren im Einklang mit den Task Force on Climate-related Financial Disclosures (TCFD) erfolgen soll.
Außerdem werden wir unseren Klima-Stewardship-Ansatz weiter verstärken, vor allem in den betroffenen Sektoren.
Speziell im Öl- und Gassektor werden wir uns bei einigen ausgewählten Unternehmen engagieren. Wir werden klare Ziele und Zeitrahmen definieren, um sicherzustellen, dass sie einen glaubwürdigen Energiewende-Plan entsprechend den Zielen des Pariser Klimaabkommens aufstellen und erfüllen. Außerdem wollen wir sicherstellen, dass sie versuchen, schon jetzt in ihren Betriebsprozessen Umweltschäden zu vermeiden.1
Wir wissen, dass die Unternehmen aus dem Bereich fossile Brennstoffe aufgrund ihrer Standorte und Besonderheiten bei Weitem nicht gleich fortgeschritten sind. Deshalb werden wir für jedes Unternehmen einen individuellen Zeitrahmen festlegen, in dem wir die oben genannten Engagementziele erreichen wollen. Dabei achten wir auf zwar ehrgeizige, aber erreichbare Ziele. Grundsätzlich erwarten wir, dass diese Unternehmen spätestens 2025 über ihre bis dahin erreichten Fortschritte berichten werden. Wenn ein Unternehmen die formulierten Ziele innerhalb des Zeitrahmens nicht erreicht, werden wir weitere Schritte unternehmen, beispielsweise dem Board ab 2023 die Zustimmung verwehren.
Wie verfahren Sie beim Thema ethnische und Geschlechtervielfalt?
Wir bei AXA IM sind schon lange bestrebt, bei unseren Portfoliounternehmen Diversität zu fördern, weil wir überzeugt sind, dass Vielfalt und Inklusion im besten Interesse der Aktionäre sind. Aus unserer Sicht kann Diversität auf Boardebene, in der Geschäftsleitung und in der Mitarbeiterschaft helfen, Gruppenbildung zu verhindern, konstruktive Diskussionen auslösen, Innovationen hervorbringen und Mitarbeiter im Unternehmen halten.
Deshalb haben wir 2020 unsere Abstimmungsgrundsätze zur Geschlechterdiversität in Industrieländern überarbeitet, in denen die Boards zu weniger als einem Drittel aus Frauen bestehen. Um den Frauenanteil auf der Führungsebene französischer Unternehmen zu fördern, haben wir die 30% Club France Investor Group gegründet und sind einer der Vorsitzenden.
Wir halten nicht nur Geschlechterdiversität für wichtig. Auch die Herkunft der Mitarbeiter, ihre ethnischen Wurzeln und ihre sozialen Hintergründe sollten vielfältig sein. Im Rahmen der Bewegung Black Lives Matter taucht eine neue Art von Aktionärsanträgen auf. In Nordamerika werden Unternehmen aufgefordert, unabhängige Untersuchungen zur Gleichbehandlung von Menschen mit unterschiedlichen ethnischen Wurzeln durchführen zu lassen. Kürzlich haben wir unseren Ansatz dahingehend geschärft, dass wir Anträge dieser Art unterstützen. Auf Boardebene stimmen wir zudem gegen die Wiederwahl des Vorsitzenden des Nominierungsausschusses von großen Unternehmen in den USA und Großbritannien, wenn nicht mindestens ein Boardmitglied nicht weiß ist.
Im Zuge dessen werden wir unser laufendes Engagement bei Unternehmen zum Thema kulturelle und ethnische Vielfalt auf Boardebene und im gesamten Unternehmen verstärken. In anderen Ländern, vor allem in Kontinentaleuropa, sind wir uns bewusst, wie schwierig es kulturbedingt und aus rechtlichen Gründen ist, Daten zur ethnischen Zugehörigkeit zu erheben. Aber wir meinen auch, dass dies Unternehmen in diesen Ländern nicht davon abhalten darf, sich um Diversität und Inklusion im Board, in der Geschäftsleitung und im gesamten Unternehmen zu bemühen, indem sie sich auf die sozioökonomischen Hintergründe und Herkunftsländer der Mitarbeiter stützen. Im Rahmen unseres laufenden Engagements werden wir unsere Portfoliounternehmen anhalten, Richtlinien zu Diversität und Inklusion aufzustellen, um Vielfalt (nicht nur in puncto Geschlecht) auf allen Ebenen der Unternehmensstruktur zu fördern.
Wie verhalten Sie sich bei Anträgen zu ökologischen und sozialen Themen?
In den letzten Jahren ist die Zahl der Anträge zu ökologischen und sozialen Themen – sowohl seitens der Verwaltung als auch der Aktionäre – gestiegen. Damit soll unterstrichen werden, wie groß die Bedenken wegen möglicher Folgen sind.
Bei ökologischen und sozialen Themen analysieren wir jeden einzelnen Antrag sorgfältig. Wir halten es nicht immer für sinnvoll, entsprechende Aktionärsanträge zu unterstützen, vor allem, wenn sie nicht gut genug auf das relevante Unternehmen abgestimmt sind oder wenn sie dessen Bemühungen und Fortschritte, die möglicherweise etwas anders aussehen als gefordert, nicht berücksichtigen.
Wir verfolgen einen klaren Stewardship-Ansatz, der den Rahmen für unsere Entscheidung für oder gegen die Unterstützung von ESG-Anträgen bildet:
- Definition der Grundsätze: Wir veröffentlichen unsere Richtlinien zur Unterstützung von Aktionärsanträgen, die auf eine Verbesserung von Berichterstattung, Prozessen und Transparenz zu einer Reihe von Klimathemen abzielen.
- Überprüfung der Unternehmensprozesse, Berichterstattung und Selbstverpflichtungen: Wir betrachten den Umgang des Unternehmens mit ESG-Themen aus Governance-Sicht. Dazu zählen die Kenntnis des Boards der wichtigsten ESG-Chancen und -Risiken des Unternehmens, die Verknüpfung der Vergütung mit wichtigen ESG-Themen, die Frage, ob ein Unternehmen einen Aktionsplan zu möglichen ESG-Problemen veröffentlicht, und zu was es sich in welchem Zeitraum verpflichtet. Außerdem betrachten wir die Qualität der übrigen Berichterstattung des Unternehmens sowie seine Mitarbeit in Branchenverbänden, die möglicherweise Grundsätze vertreten, die unseren Standpunkten zu ESG-Themen entgegenstehen.
- Gründe verstehen: Wir analysieren Aktionärsanträge sehr genau und achten dabei vor allem auf die Maßnahmen, die das Unternehmen aus ihrer Sicht treffen soll, sowie die Ergebnisse, die Aktionäre vom Unternehmen erwarten. Außerdem prüfen wir, ob die Forderungen des Antrags zu eng gefasst sind.
- Betrachtung der langfristigen Wirkung und Auswirkungen: Bei der Analyse von Aktionärsanträgen, auch, wenn wir uns daran beteiligen, betrachten wir die Auswirkungen, die der Antrag aus unserer Sicht für die langfristige nachhaltige Zukunft des Unternehmens hat.
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Rechtliche Hinweise
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