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Nachhaltigkeit

Wie Unternehmen soziale Themen besser angehen können


  • Aus unserer Sicht kann ein schlechter Umgang mit sozialen Fragen die Finanzen eines Unternehmens belasten, aber das Thema ist komplex, sodass es manchmal schwierig ist, die vielen sozialen Faktoren zu definieren und zu messen.
  • Wir haben eine Checkliste erstellt, wie verlässliche Daten beschaffen sein müssen, um mit ihnen Fortschritte messen zu können, und erläutern einige der Herausforderungen im Zusammenhang mit der Aufsicht des Boards, auf die Investoren achten sollten.
  • Wir halten ein gutes Management des Humankapitals für wichtig. Es kann Unternehmen helfen, sich auf Krisen vorzubereiten, und Schäden verhindern, die durch psychische Probleme von Mitarbeitern entstehen.

Jahrelang stand die Umwelt im Mittelpunkt der ESG-Bemühungen, weil dieses Thema für unseren Planeten am drängendsten ist. Auch Governance ist seit Langem von Bedeutung und wird immer strenger gehandhabt. Die damit verbundenen Probleme zeigen, wie wichtig eine effiziente Boardaufsicht ist.1 Dem Thema Soziales wurde dagegen bislang weniger Aufmerksamkeit geschenkt.  Es ist schwer zu fassen, und die Unternehmen wissen noch immer nicht recht, wie sie darüber berichten sollen. Dennoch sind soziale Faktoren maßgeblich für den Unternehmenserfolg, und mittlerweile werden Unternehmen immer häufiger auch danach beurteilt, wie sie soziale Themen bei ihren Entscheidungen und bei der Strategiefindung berücksichtigen. Wir sind der Ansicht, dass die Folgen eines schwachen Umgangs mit sozialen Themen – von Arbeitsrechten bis zum Lieferkettenmanagement – der Reputation schaden und die Finanzkennzahlen messbar belasten können. Und das wiederum hat Auswirkungen auf die Investments unserer Kunden.

In diesem Artikel erläutern wir zunächst die Herausforderungen bei der Analyse sozialer Faktoren. Dann beschreiben wir, wie Kennzahlen aus unserer Sicht beschaffen sein müssen, damit man mit ihnen Fortschritte messen und dokumentieren und die Verantwortung der Geschäftsleitung definieren kann. Schließlich beschreiben wir, wie Unternehmen die zurzeit gängigen Kennzahlen verbessern könnten, damit sie die Herausforderungen für Menschen und Gesellschaft besser widerspiegeln.

So komplex ist die Messung sozialer Faktoren

Um ESG-Faktoren messbar zu machen, muss man Methoden entwickeln, die mit einem robusten und wiederholbaren Bewertungssystem arbeiten, damit Unternehmen zu Verbesserungen gezwungen werden. Bei den auf Unternehmensebene gängigen Kennzahlen für soziale Faktoren gibt es noch ein weiteres Problem: Sie müssen die komplexen und sich verändernden Themen erfassen und ständig an manchmal unvorhersehbare Entwicklungen angepasst werden können. Die reinen Zahlen können mögliche Folgen und deren Auswirkungen verschleiern. Eine Verbesserung der Kennzahlen in einer bestimmten Situation zu einem bestimmten Zeitpunkt sagt möglicherweise nichts über die langfristigen Folgen einer Entscheidung aus.

Warum man detaillierte Kennzahlen braucht

Aus unserer Sicht richtet man Kennzahlen für soziale Faktoren am besten an einem klaren Ziel aus.  Das Festhalten an bestimmten Werten, die über die blinde Verfolgung der kurzfristigen Gewinnmaximierung hinausgehen, ist eine der wichtigsten gesellschaftlichen Veränderungen der letzten Zeit. Jetzt müssen Unternehmen nämlich darüber nachdenken, wie sie über Wohltätigkeitsinitiativen hinaus etwas für die Gesellschaft tun können. Das kann zum Beispiel die Verbesserung des Zugangs zu ihren Produkten sein, entweder über den Preis oder über die Bereitstellung in Regionen mit hohem ungedecktem Bedarf. Wir meinen, dass ein Unternehmen, das hier positiv auffällt, seine Reputation verbessern und am Ende auch Investoren gewinnen kann. Aber um einen solchen Zweck zu verfolgen und entsprechende Ziele zu setzen, braucht man detaillierte Kennzahlen. Nur dann lassen sich soziale Fortschritte messen, nach und nach verbessern, die Bemühungen und Ergebnisse kontrollieren und die Risiken einschätzen.

Aus unserer Sicht sollten diese Kennzahlen wie folgt gestaltet sein:

 

  • Sie sollten logisch nachvollziehbar sein und die gewünschten Ergebnisse so definieren, dass klar wird, mit welchen Maßnahmen diese Ergebnisse erzielt werden sollen. Die wesentlichen Schritte, die für Veränderungen und Ergebnisse erforderlich sind, müssen dauerhaft gelten und allgemein formuliert sein und nicht nur auf ein spezielles Problem des Marktes oder der Gesellschaft zu einem bestimmten Zeitpunkt ausgerichtet.
  • Die grundsätzliche Position des Unternehmens in der Gesellschaft definieren: In Krisen können sich Unternehmen anpassen, um sozialen Nutzen zu stiften, entweder über Wohltätigkeitsinitiativen oder über Maßnahmen zur Erzielung von Umsätzen. Früher oder später wird es wieder zu einer Wirtschaftskrise kommen, und wir sind überzeugt, dass es einem Unternehmen, das ein klares Ziel formuliert hat, leichter fällt, an seiner Vision festzuhalten und Abstand von kurzfristigen Reaktionen zu halten, die es von diesem Ziel ablenken.
  • Verantwortung einfordern, vor allem auf Boardebene: Ein bestimmtes Boardmitglied, ein Ausschuss oder das gesamte Board sollte verantwortlich für das Programm und seine Auswirkungen sein. Das dürfte helfen, eine Strategie zu formulieren, die langfristige Werte schaffen kann.

 

Klare Aufgaben

Das Board eines Unternehmens ist verantwortlich dafür, wer die Entscheidungsträger sind. Aber für eine effiziente Aufsicht durch das Board muss ein Grundverständnis darüber vorliegen, wie soziale Themen in Unternehmensentscheidungen eingebunden werden sollen – auch in strategische Pläne und Risikoanalysen.

Im Februar und März 2021 hat EY fast 400 Boardmitglieder börsennotierter Unternehmen nach deren ESG-Vorhaben, -Leitlinien und -Prognosen gefragt. Das Ergebnis: „Die meisten Boardmitglieder betrachten ESG eher als eine Frage der Compliance und nicht als langfristige Chance. Viele der Befragten sind nicht sicher, ob sie die Erwartungen ihrer Stakeholder zu den Themen Umwelt und Soziales richtig verstehen.“

Die Umfrage zeigt, dass 57% „sehr sicher“ sind, dass sie selbst wissen, wie wichtig soziale Themen für ihr Unternehmen sind. Bei der gleichen Frage zu governancebezogenen Themen waren sich 83% „sehr sicher“. Deshalb stellt sich die Frage, wie Unternehmen überhaupt entscheiden können, was für ihr Geschäft wichtig ist.

Die Unsicherheit darüber, was als Erstes angegangen werden muss, kann sich in der Aufsichtsqualität zu sozialen Themen niederschlagen. Beispielsweise zeigt die Umfrage, dass bei 43% der Befragten die Kontrolle über Diversität, Gleichheit und Inklusion (Diversity, Equity und Inclusion) dem gesamten Board obliegt, bei 27% trägt der Vergütungsausschuss die Verantwortung, bei 19% der Nominierungs- und Governanceausschuss, bei 5% andere Boardausschüsse und bei 1% der Prüfausschuss. 6% der Boardmitglieder antworteten, dass in ihrem Unternehmen gar keine Aufsicht stattfindet.

Hier ist nicht die Unternehmensstruktur das Problem, aber das breite Spektrum der Antworten – vom Vergütungsausschuss bis zum Prüfausschuss war alles dabei – weckt Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Boardaufsicht über soziale Themen und wirft die Frage nach der Kompetenz auf. Cross-Skilling ist üblich, aber eine solch unterschiedliche Aufspaltung der Zuständigkeiten kann sich auf die Berichterstattung darüber auswirken, wie die Unternehmen ihre vorab definierten Ziele erreichen können und wer im Falle von Misserfolgen zur Rechenschaft gezogen werden kann. Das wiederum kann zu Verwirrung darüber führen, was tatsächlich zu tun ist.

Aus unserer Sicht kann die fehlende Einheitlichkeit den Boards und ihren Mitgliedern direkt schaden. Immer mehr Investoren, darunter auch AXA IM, erwarten eine effiziente Boardaufsicht zu ESG-Themen. Wer diese Erwartungen nicht erfüllt, riskiert, dass Kampagnen auf Hauptversammlungen abgelehnt werden und immer mehr Aktionärsanträge zu ESG-Themen eingehen.

Was die sozialen Faktoren betrifft, sind wir der Überzeugung, dass es für jedes Unternehmen von Vorteil ist, wenn das Board die Aufsicht über die damit verbundenen Chancen und Risiken hat. Eine gute Governance auf Boardebene hat nicht nur klare Vorteile, sie verringert auch möglicherweise die Haftung und führt zu besseren Reaktionen, wenn eines der Risiken eintritt. 

Bessere soziale Kennzahlen

Weil die Forderungen nach einem guten Umgang mit sozialen Themen immer lauter werden, ist das Risiko von „Social Washing“, dem Pendant des Greenwashing, gestiegen, bei dem Worten keine Taten folgen. Manchmal fällt das nicht auf, und dieses Risiko wird durch Daten verschleiert, die als Reaktion auf die immer drängenderen Forderungen nach quantifizierbaren sozialen Kennzahlen zur Verfügung gestellt werden. Mit anderen Worten: Daten könnten so konzipiert werden, dass sie die Unternehmensaussagen zwar bestätigen, aber das eigentliche Problem der Mitarbeiter oder von Teilen der Gesellschaft, die von den Geschäftsaktivitäten des Unternehmens betroffen sind, nicht lösen. 

Fallstudie: Messung der Mitarbeiterzufriedenheit

Eine der am meisten verbreiteten Maßnahmen zur Messung sozialer Fortschritte sind Umfragen zur Mitarbeiterzufriedenheit. Sie können wichtige Informationen über die Mitarbeiter eines Unternehmens liefern und zeigen, wie sich die Effizienz verbessern lässt.  Das macht sie zu einem Instrument der langfristigen Mitarbeiterbindung. Wenn die Umfragen gut konzipiert sind, wertschätzen sie die Antworten der Mitarbeiter und geben ihnen Gelegenheit, mögliche Probleme zu benennen. Manchmal geben sie den Mitarbeitern das Gefühl, wirklich gehört zu werden. Tatsächlich sind Umfragen zur Mitarbeiterzufriedenheit ein gutes Instrument für Unternehmen, weil sie mit ihnen Einfluss auf das Verhalten nehmen können. Positive Ergebnisse motivieren, negative regen zum Nachdenken an.

Sie haben aber auch ihre Schattenseiten. Erstens können sie von aktuellen Ereignissen beeinflusst sein, weil sie die Stimmung zu einem bestimmten Zeitpunkt erfassen, wenn sie nicht regelmäßig durchgeführt werden – was wiederum zu einem weiteren Problem führt:  Gleichgültigkeit. Mehrere Umfragen jährlich sind wenig sinnvoll, weil Fortschritte ihre Zeit brauchen und kurzfristig nicht feststellbar sind.

Außerdem können die Antworten davon beeinflusst werden, wie überzeugt die Befragten davon sind, dass ihre Antworten anonym bleiben. Wenn diese Überzeugung fehlt, werden ihre Rückmeldungen eher positiv sein. Im Dezember 2021 führte der Trades Union Congress (TUC) eine Umfrage unter über 2.200 britischen Arbeitern durch. 60% fürchteten, in irgendeiner Form überwacht und bei ihrer Arbeit kontrolliert zu werden. 2020 hatten nur 53% diese Bedenken geäußert.2  3

Umfragen werden häufig als gute Instrumente zur Förderung von Teilhabe und Motivation betrachtet, aber steigende Zahlen bedeuten nicht, dass irgendetwas besser geworden ist. Und in manchen Fällen besteht das Ziel darin, dass möglichst viele Mitarbeiter an der Umfrage teilnehmen, und nicht darin herauszufinden, welche Probleme sie wirklich haben.  Wenn man nur seine Mitarbeiter motivieren will und gar nicht vorhat, auf eventuelles negatives Feedback zu reagieren, packt man die Sache möglicherweise falsch an. Die aus solchen Umfragen gezogenen Schlüsse können recht vage sein. Vielleicht kürt man einen „Mitarbeiter des Monats“ oder kommt zu dem Ergebnis, dass die Mitarbeiter „grundsätzlich gerne zur Arbeit kommen“. Aber es gibt auch große Unternehmen, die gute Ergebnisse ihrer Umfragen zur Mitarbeiterzufriedenheit ausweisen und zugleich die Vereinigungsfreiheit missachten oder mit einer hohen Fluktuation zu kämpfen haben.

 

Menschen befördern und unterstützen

Offenbar reicht es nicht aus, Kennzahlen zu definieren, indem man einfach ein paar Daten erhebt. Die Verbesserung des sozialen Umfelds in einem Unternehmen, sodass strukturelle Veränderungen stattfinden und sich die Performance steigert, sollte immer mit einem Wandel der Unternehmenskultur einhergehen. Zielgerichtete Maßnahmen sind ein pragmatischerer und möglicherweise ergänzender Ansatz, mit dem man die Fähigkeiten und Talente der Mitarbeiter fördern und nutzen kann.

In den 1990er-Jahren wurde Nike der Ausbeutung der Arbeiter in seinen Fabriken in Südostasien bezichtigt. Die Reputation des Unternehmens nahm erheblichen Schaden. Der damalige CEO Philip Knight sagte: „Die Marke Nike ist zu einem Synonym für Hungerlöhne, Zwangsüberstunden und willkürliche Ausnutzung geworden.“ 4

Ein solches Problem lässt sich auf zweierlei Weise angehen: Verbesserung von Compliance-Programmen oder zusätzliche Weiterbildung, die in der Regel gut angenommen wird und tatsächlich längerfristig messbare Ergebnisse zeigt. Nike hat einen anderen Weg gewählt: Die schlanke Produktion (Lean Production) nach dem Vorbild des „Toyota Way“.5

Die Idee war, Fließbandarbeitern mehrere unterschiedliche Tätigkeiten beizubringen statt immer nur die gleichen Handgriffe, sie an der Qualitätskontrolle zu beteiligen, die notwendigen Verbesserungen der Produktionsprozesse vorzunehmen und jene, deren Fähigkeiten man erweitert hatte, zu befördern. Weil in einigen Fabriken schlechte Arbeitsbedingungen herrschten, stellte Nike Manager ein, die nach einer Prüfung alles umbauen ließen.  Nach einer Studie6 gingen die Verstöße gegen die Arbeitsstandards, wie zu niedrige Löhne und zu lange Arbeitszeiten, nach der Einführung der Lean Production um 15% zurück. Zudem verbesserten sich die Arbeitsbedingungen in den Fabriken in mehreren Ländern.

Die Beförderung von Mitarbeitern, die ihren Beitrag messbar macht, kann dafür sorgen, dass sie ihre Aufgabe als wichtiger betrachten und sich von ihrem Arbeitgeber oder den Kunden anerkannt fühlen, was am Ende möglicherweise einen Rückgang der Fluktuation zur Folge hat. Aus unserer Sicht sollten Investoren Unternehmen zu durchdachten Strategien anhalten und zu Maßnahmen, die zu signifikanten messbaren Ergebnissen führen.

Vorbereitung auf die nächste Krise

Manchmal, vor allem in Krisen, helfen Unternehmen ihren Mitarbeitern und der Gesellschaft in größerem Umfang. Wenn die Lebenshaltungskosten steigen, geraten immer mehr Mitarbeiter in Schwierigkeiten, weil ihr Lohn einfach nicht ausreicht.

Unternehmen sehen sich zunehmend Forderungen gegenüber, Lösungen zu finden, die früher nichts mit der Arbeitswelt zu tun hatten.  Es gibt verschiedene Möglichkeiten, Mitarbeiter zu unterstützen. Was Firmen in schwierigen Zeiten tun und welche Folgen ihr Handeln für den Geschäftserfolg hat, wird von Investoren in Zukunft genau beobachtet werden, so wie während und direkt nach der COVID-19-Pandemie. 

Die Förderung flexibler Arbeitszeiten und die Planung und Berichterstattung darüber, was getan werden kann und getan wurde, um unterschiedliche Arbeitsmodelle zu steuern, sollte unserer Ansicht nach oberste Priorität haben. Viele Beschäftigte werden Probleme haben, die steigenden Energiekosten zu stemmen, und vielleicht wird der Trend zum Homeoffice für eine Weile unterbrochen. Um die finanzielle Situation der Mitarbeiter zu verbessern, könnte man ihnen ermöglichen, häufiger im Büro zu arbeiten, indem man ihre Reisekosten ganz oder teilweise übernimmt. Aber das ist nur eine von vielen Möglichkeiten. Da vermutlich sehr viele Mitarbeiter Lohnerhöhungen fordern werden, ist ein umsichtiges Management gefragt. Diese Trends werden wir 2023 sehr genau beobachten.

Grundsätzlich sind wir der Meinung, dass sich hier ein sensibler Ansatz auszahlen wird, der durchaus auch mit Ausgaben verbunden sein darf.  Wenn die Beschäftigten finanziell unter Druck stehen, können sie sich nicht auf ihre Arbeit konzentrieren. Sie werden Fehler machen, und ihr Auffassungsvermögen leidet.7

Psychischen Druck mindern

Wichtig für Arbeitnehmer ist heute, dass auch das psychische Wohlbefinden, Flexibilität und eine faire Bezahlung Teil der Unternehmensstrategie sind.  Einem aktuellen Bericht der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Deloitte zufolge sind die jährlichen Kosten, die britischen Arbeitgebern durch eine schlechte psychische Verfassung ihrer Mitarbeiter entstehen, seit Beginn der Pandemie um 25% gestiegen. Dazu wurden Faktoren wie Fehlzeiten, Präsentismus und Umsatz berücksichtigt.8 Herauszufinden, was dieses Verhalten auslöst, und darauf zu reagieren, kann sehr wichtig sein.

Von Unternehmen wird zunehmend erwartet, dass sie auch die Verantwortung für die emotionale Stabilität ihrer Mitarbeiter übernehmen. Im Zusammenhang mit der sogenannten großen Resignation könnte dies aus unserer Sicht ein wichtiger Faktor sein. In den USA haben 2021 etwa 48 Millionen Menschen ihren Job gekündigt,2 in Großbritannien wollten 25% der Beschäftigten ihre Stelle wechseln,10 und viele haben „still gekündigt“, tun also nur das absolut Notwendige. Der Grund für dieses Verhalten ist, dass die Unternehmenskultur als schädlich und der Arbeitsplatz als unsicher empfunden wird.

Dabei müssen die Unternehmen nicht unbedingt das Rad neu erfinden. Einige kleine Änderungen an dem, was es bereits gibt, könnten das Arbeitsumfeld deutlich verbessern. Beispielsweise könnten Unternehmen analysieren, wie groß die Differenz der Löhne und der tatsächlichen Lebenshaltungskosten in einer möglichen Rezession wäre, einer Situation, in der der Stress der Mitarbeiter steigt, sodass ihre Motivation nachlassen könnte.

Sie könnten auch die Möglichkeiten von Beförderungen prüfen, indem sie nachsehen, wie lange ein Mitarbeiter nicht befördert wurde, bevor er unzufrieden wurde oder gekündigt hat.  Dabei könnten sie feststellen, welche ihrer Beschäftigten sie unbedingt halten möchten. In diese Analyse könnten auch Weiterbildungsangebote einfließen, durch die Mitarbeiter ihre Fähigkeiten verbessern und im Unternehmen aufsteigen könnten.

Schließlich könnten Firmen versuchen, besonders gefährdete Mitarbeitergruppen zu identifizieren, indem sie ihre Beschäftigten nach Standort und Profil gruppieren, um gezielte Programme anzubieten. Wir halten das für eine gute Idee, weil nicht alle Beschäftigten im gleichen Maße unter den Umständen und dem Druck leiden.

Am Ende muss jedes Unternehmen unterschiedliche Ansätze prüfen, um soziale Faktoren zu berücksichtigen. Das Thema wird immer wichtiger, vor allem im derzeit unsicheren Umfeld. Die Steuerung dieser Prozesse erfordert Verantwortungsübernahme und Anpassungen. Dazu müssen Aufgaben an Experten für soziale Fragen auf Boardebene übertragen werden.

Wenn wir die Herausforderungen unserer Gesellschaft besser verstehen und die Entscheidungsträger eine klare Vision haben, wird es einfacher, ehrgeizigere und realistischere Kennzahlen zu entwickeln, die sowohl die Forderungen der Investoren widerspiegeln als auch erfassen, ob und wie die Belange der Menschen und der Gesellschaft in die Gesamtstrategie des Unternehmens einfließen. Wir sind überzeugt, dass sich die Investitionen der Unternehmen in ihr Humankapital langfristig auszahlen, zumal sie die einzige Möglichkeit sind, ihren Wettbewerbsvorteil zu sichern.

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