Gemach, gemach
Allmählich senken die Notenbanken die Zinsen; auch die Bank of England entschloss sich jetzt zu einer kleinen Lockerung. Anleger rechnen in den nächsten Monaten mit mehr. Die Unternehmensgewinne sind unterdessen stabil, Anleihen und Aktien entwickeln sich erfreulich. Der Juli war ein guter Monat. Im Hochsommer ist durchaus eine gewisse Volatilität denkbar; der August ist meist eher schwach. Für echte Verluste spricht aber nicht viel, zumal im Herbst weitere Zinssenkungen folgen werden und die Weltwirtschaft wohl erst einmal weiterwächst. Schöne Ferien!
Kleine Schritte
Am 1. August hat die Bank of England ihren Leitzins um 25 Basispunkte gesenkt – ein recht unentschlossener Schritt mit einer knappen Mehrheit von 5:4. Aber ein richtiger: Die britische Inflation ist gefallen und dürfte auf absehbare Zeit nur knapp über ihrem Zielwert liegen. Die realen Kurzfristzinsen sind im 20-Jahres-Vergleich daher hoch. Noch wissen wir nicht, was die neue Labour-Regierung der Wirtschaft bringt. Die bisherigen Finanzentscheidungen lassen noch keine klare Strategie erkennen. Dazu müssen wir das Haushaltsgesetz Ende September abwarten. Wie Fed und EZB sagt auch die Bank of England, dass ihre Entscheidungen stark von den Daten abhingen. Am Markt rechnet man aber fest mit weiteren Zinssenkungen, und zwar mit 100 Basispunkten in den nächsten zwölf Monaten. Die kleine Senkung vom 1. August dürfte allerdings kaum Auswirkungen auf Konjunktur und Inflationserwartungen haben, und auch das Pfund reagierte zunächst nur wenig. Auch an den Hypothekenzinsen wird sich wohl erst einmal nichts ändern. Der 5-Jahres-Hypothekenzins lag dieses Jahr stets bei 4,5% und ist damit noch immer doppelt so hoch wie 2021. Den britischen Immobilienmarkt scheint das aber nicht zu beeindrucken. Laut der Bausparkasse Nationwide sind die Hauspreise im Juli im Schnitt um 0,3% z.Vm. und 2,1% z.Vj. gestiegen. So schlecht kann es um das Land also nicht bestellt sein!
Die Zinssenkung dürfte aber britischen Aktien und Anleihen helfen. Die Staatsanleihenrenditen könnten fallen, was gut für britische Unternehmensanleihen wäre, vor allem für Kurzläufer. Britische Unternehmensanleihen mit ein bis fünf Jahren Laufzeit brachten von Januar bis Ende Juli knapp 3% Ertrag, und in den letzten zwölf Monaten waren es sogar gut 9%.
Sommerfreuden
Wie erwartet haben britische Aktien positiv auf das Wahlergebnis und den Regierungswechsel reagiert. Der Mid-Cap Index legte im Juli um 6,5% zu. Diesmal hat der Juli tatsächlich geliefert, was man von ihm erwartet; internationale Anleihen und Aktien lagen im Plus. Der S&P 500 verzeichnete 1,22% Ertrag, der ICE/BoFA Global Bond Index 2,90%. Trotz etwas höherer Volatilität in den USA, wo Technologieaktien letzten Monat im Minus lagen, sorgten die guten Fundamentaldaten insgesamt für eine ordentliche Performance. Das stabile Wachstum, die soliden Unternehmensgewinne und die Aussichten auf niedrigere Zinsen bleiben die wichtigsten Themen. Mit einem 60/40-Portfolio – 60% Aktien, 40% Anleihen – hätte man über 2% verdient.
Vorsicht und Umsicht
Im August ist die Performance meist uneinheitlicher. In den letzten 20 Jahren legten internationale Aktien gemessen am MSCI World Index nur neunmal zu. Anleihen erging es mit 13 Gewinnmonaten besser, davon allerdings keiner in den letzten vier Jahren. Angesichts der derzeitigen Konjunkturlage und der Mehrerträge von Aktien seit Jahresbeginn könnte der diesjährige August für Anleihen wieder besser sein. Die wieder größeren Spannungen im Nahen Osten könnten die Risikobereitschaft kurzfristig dämpfen. Sowohl der VIX-Index für die Aktienmarktvolatilität als auch der CDS-Index für Kreditversicherungen sind im August oft gestiegen. Vielleicht bleibt der Geldmarkt daher noch etwas länger interessant. Nach dem Zinsschritt der Bank of England sind bis September keine weiteren Senkungen mehr zu erwarten.
Stabile Gewinne
Erfreulich waren zuletzt die Unternehmensgewinne. Etwa drei Fünftel der S&P-500-Unternehmen haben ihre Quartalszahlen jetzt vorgelegt, und insgesamt sind sie etwas besser als erwartet. Berichtet wird über gut 11% durchschnittliches Gewinnwachstum. In allen wichtigen Sektoren gab es positive Überraschungen, die sich gleichmäßig auf den Markt verteilten. Nicht ganz so gut war es aber in Europa. In den Sektoren Versorger, Energie und Grundstoffe wurden die Erwartungen oft verfehlt, und insgesamt sind die Gewinne geschrumpft. Enttäuscht haben auch Firmen aus den Sektoren Konsumgebrauchsgüter und Automobile. Sie begründeten dies mit der schwachen Nachfrage aus China im 2. Quartal.
Schwache Industrie
Die schwache Nachfrage aus China könnte auch ein Grund für die schlechten Zahlen der europäischen Industrie sein. Ihre Einkaufsmanagerindizes lagen in Frankreich, Deutschland und dem Euroraum im Juli noch immer unter 50, was für eine schrumpfende Produktion spricht. Die Überraschungsindizes der Citi-Volkswirte, die die tatsächlichen Konjunkturdaten mit den Konsenserwartungen vergleichen, fielen im Juni ins Minus. Deshalb – und obwohl die Kerninflation im Euroraum nach ersten Schätzungen im Juli erneut 2,9% z.Vj. betrug – spricht viel für weitere Zinssenkungen der EZB noch in diesem Jahr. Am Markt rechnet man mit fast drei Senkungen bis Ende Januar 2025 und fünf bis Mitte nächsten Jahres. Der Leitzins, so die Erwartungen, wird dann auf 2,5% fallen.
Fed hat den Arbeitsmarkt im Blick
Enttäuscht haben die Konjunkturdaten aber nicht nur in Europa. Der Citi Surprise Index für die USA war zuletzt ebenfalls negativ. Die Fed ließ ihren Leitzins am 31. Juli zwar unverändert, doch schien Notenbankchef Powell zuletzt eine Senkung im September anzudeuten. Vor dem Ende der nächsten Offenmarktausschusssitzung am 18. September werden noch zweimal Arbeitsmarkt- und Inflationszahlen veröffentlicht. Wenn – wie Powell sagt – der Arbeitsmarkt für die Fed wirklich genauso wichtig ist wie die Inflation, könnte bei schwächeren Arbeitsmarktzahlen vor der nächsten Sitzung der Eindruck entstehen, dass die Fed mit einer Senkung erst im September zu spät dran ist. Ich schreibe diese Zeilen vor der Veröffentlichung der Arbeitsmarktdaten für Juli. Der Juli-Arbeitsmarktbericht des ADP Institute und die wöchentlichen Arbeitslosengeldanträge sprechen für eine weitere Abschwächung. Sicherlich können die Zinserwartungen bei schwachen US-Zahlen weiter fallen – ein Grund, für US-Staatsanleihen optimistisch zu bleiben.
Die Fed kann ihre Leitzinsen aber auch kurzfristig senken. Der Ausblick für das kommende Jahr hängt davon ab, wie die Präsidentschaftswahlen ausgehen und was der Wahlsieger vorhat. Nachdem Kamala Harris Umfragen zufolge zu Donald Trump zumindest aufgeschlossen hat, ist der Ausgang offen. Die Geldpolitik wird aber von der Konjunktur abhängen. Bei schwachem Wachstum in den nächsten sechs bis neun Monaten muss die Fed etwas tun, wer auch immer die Wahlen gewinnt – es sei denn, Bidens Nachfolger(in) setzt schnell eine wachstumsfördernde Fiskalpolitik durch, was unwahrscheinlich ist.
Keine wirklich schlechten Nachrichten
Die Wirtschaft steht solide da und eine gewisse Lockerung der Geldpolitik wird das Wachstum weiter fördern. Der Ausblick für Aktien bleibt gut – wie eigentlich immer, wenn keine Rezession zu erwarten ist und die Unternehmensgewinne nicht fallen. Daran ändert auch eine gewisse spätsommerliche Volatilität nichts. Nach den jüngsten Konsenszahlen werden beim S&P 500 für das nächste Jahr 13% Gewinnwachstum erwartet, für Europa und Japan rechnet man mit etwa 8% und für die Emerging Markets mit etwa 18%. In den letzten Monaten wurden die Gewinnerwartungen in Europa häufiger nach unten als nach oben korrigiert, aber in den USA sind die Revisionen ausgeglichener. Alles in allem sprechen Konjunkturdaten und Unternehmensgewinne also für anhaltende Mehrerträge amerikanischer Titel. Daran ändern auch die höheren Bewertungen in den USA nichts. Jegliche Marktkorrektur im Spätsommer dürfte als Kaufgelegenheit gelten, vor allem wenn die Fed die Zinsen am 18. September wirklich senkt.
Auf nach Cornwall
Viele meiner Leser werden schon im Urlaub sein. Jetzt bin ich dran. In den nächsten zwei Wochen bleiben Laptop und Bürotür zu. Ich freue mich auf Küstenspaziergänge, Schwimmen im Meer und gutes britisches Essen in Cornwall. Wenn man nach den freien Tischen in guten Restaurants geht, können die Briten so arm nicht sein. Ich freue mich auch darauf, viel Französisch, Spanisch und Deutsch zu hören. Hoffentlich mögen die Kontinentaleuropäer Pasteten!
Performancedaten/Quellen: LSEG Workspace Datastream, Bloomberg, AXA IM, Stand 31. Juli 2024, falls nicht anders angegeben. Die Wertentwicklung der Vergangenheit ist kein Hinweis auf künftige Erträge.
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