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Nachhaltigkeit

Ist Transparenz die Antwort auf unklare Nachhaltigkeitsausweise?


Im Überblick:

  • Wegen der unklaren aufsichtsrechtlichen Vorgaben kann es schwierig sein, einen Fonds als nachhaltig einzustufen.
  • Aktiv gemanagte börsennotierte Fonds (ETFs) legen ihre Positionen offen und sind eine Möglichkeit für transparentere Investments.
  • Gegen Greenwashing gibt es kein Patentrezept, aber die Investoren müssen auf jeden Fall ausreichende Informationen erhalten.

In den letzten Monaten mussten die meisten Assetmanager in Europa die Einordnung ihrer Nachhaltigkeitsfonds und -strategien überdenken.

Der eigentliche Grund dafür ist, dass es noch immer keine aufsichtsrechtlichen Vorgaben und klaren Definitionen dafür gibt, was ein nachhaltiges Investment ausmacht. Weil sich die Leitlinien geändert haben, sind Assetmanager häufig vorsichtig und haben ihre Fonds lieber zurückgestuft, um nicht aus Versehen gegen die sich verändernden Regulierungen zu verstoßen.

Immer mehr Artikel-9-Fonds, also jene mit der höchsten Nachhaltigkeitseinstufung gemäß EU-Offenlegungsverordnung für Finanzunternehmen (SFDR), werden auf Artikel-8-Fonds umgestuft, die weniger strenge Anforderungen erfüllen müssen.
 

Es könnte noch mehr Veränderungen geben. Klarere Vorschriften wären hilfreich, aber angesichts der komplexen Lage und des Interpretationsspielraums werden auch künftige Leitlinien vermutlich nicht das letzte Wort sein.  

Zeit für einen anderen Ansatz?

Das Kernproblem bei Berichterstattung und Einstufung nachhaltiger Anlagen sind fehlende klare Definitionen. Die meisten Assetmanager haben eigene Scoring-Systeme und beurteilen die Nachhaltigkeit eines Unternehmens individuell anhand von dessen Produkten, Leistungen und Prozessen oder nutzen Daten externer Anbieter. Weil die Vorschriften keine klare Definition für „nachhaltig“ enthalten, bleibt es schwierig, Fonds richtig einzustufen.

Aber das könnte sich noch ändern.

Bis dahin sollten wir uns fragen, ob die Investmentbranche selbst mehr tun könnte, um die Ziele der SFDR – mehr Transparenz und ein einheitlicher ökologischer, sozialer und governancebezogener (ESG-)Rahmen für Investoren – mit anderen Mitteln zu erreichen.

Eine Möglichkeit für Assetmanager, die nachhaltige Strategien anbieten, ist, erheblich mehr Transparenz anzustreben. Beispielsweise könnten die Manager alle Positionen ihrer Fonds, die sie für nachhaltig halten, veröffentlichen. Interessierte und bestehende Investoren könnten mit einem Mausklick sehen, welche Aktien in einem Fonds enthalten sind, und dann entscheiden, ob sie in diese Unternehmen investieren wollen.

Sicher werden nicht alle Positionen eines Portfolios zum Nachhaltigkeitsverständnis aller Investoren passen. Aber diese wüssten jedenfalls genau, was sie kaufen. Auch bei diesem Ansatz ist Greenwashing im engeren Sinne nicht vollständig auszuschließen. Auch hier könnten einige Assetmanager versucht sein, zu große Versprechungen zu machen, aber das könnte viel leichter erkannt werden, weil Investoren erheblich mehr Informationen über das Portfolio hätten, als es zurzeit häufig der Fall ist. Mit der Zeit würde es immer weniger Greenwashing geben.

Natürlich wäre es für die Assetmanagementbranche eine große Umstellung und auch technisch nicht einfach, einen solchen Ansatz im großen Stil umzusetzen. Aber vielleicht kann man dazu künftig eine bereits bestehende Infrastruktur nutzen? Einige Anlageinstrumente wie börsennotierte Fonds (ETFs) bieten bereits einen Rahmen, der die Grundlage für eine neue Kategorie hochtransparenter Nachhaltigkeitsfonds bilden könnte. 

Mehr Transparenz

ETFs veröffentlichen in der Regel an jedem Handelstag alle ihre Portfoliopositionen. Weil fast alle von ihnen passiv gesteuert sind und einen Index abbilden, ist diese Transparenz bis zu einem gewissen Gradüberflüssig. Schließlich sind die Komponenten der großen Indizes allen bekannt.

Bei aktiven ETFs – aktiv gemanagten Strategien in einer ETF-Hülle –sieht das anders aus.  Einige Anbieter zögern vermutlich, aktive Strategien in dieser Form anzubieten, weil sie dann ihre „Geschäftsgeheimnisse“, also Einzelwertauswahl und Asset-Allokation, preisgeben müssten. Aber für Manager, die dazu bereit sind, wäre eine solche Transparenz ein guter Weg, um Greenwashing entgegenzuwirken.

Auf den ersten Blick wäre damit ein einfaches Problem klug gelöst. Nachhaltige Investoren interessieren sich üblicherweise dann für einen bestimmten Fonds, wenn dessen Ziele und Ansatz zu ihren Werten passen. Wenn die Erwartungen nicht erfüllt werden, kann die Enttäuschung groß sein. Dieses Problem können Assetmanager angehen, wenn sie genauer darüber berichten, in was sie investieren und warum. Wenn beispielsweise ein Artikel-8-Fonds Übergangsaktien hält, also Papiere von Unternehmen, die für Investoren auf den ersten Blick nicht zu einem nachhaltigen Fonds passen, können Assetmanager nicht nur offenlegen, dass sie in sie investiert sind, sondern auch, warum sie dies für angemessen halten.

Das ist das Wichtigste. Assetmanager betreiben Research und erstellen Analysen als Grundlage für ihre Investmententscheidungen.  Außerdem engagieren sie sich bei Portfoliounternehmen, um deren Verhalten positiv zu beeinflussen – eine wichtige Komponente des verantwortlichen Investierens. Entsprechend bedeutsam sind ihre Einschätzungen und Überzeugungen. Allerdings wissen einige Investoren weniger darüber, warum einige Nachhaltigkeitsfonds bestimmte Aktien halten, als sie könnten.

Mit einer offeneren Berichterstattung über ihre Investmententscheidungen und Ziele können Assetmanager Investoren helfen, den für sie richtigen Fonds auszuwählen. Und darüber hinaus würden sie die Abhängigkeit von Einstufungen oder Interpretationen von Vorschriften verringern, die sich ohnehin jederzeit ändern könnten.

Ein aktiver Ansatz

Wenn man einen wirklich nachhaltigen Fonds – welcher Art auch immer – zusammenstellen will, muss man eine aktive Auswahl treffen. Einen Artikel-9-Fonds zu konstruieren, indem man einfach einige Sektoren eines Index ausschließt, ist alles andere als sinnvoll, wenn jede einzelne Position wirklich nachhaltig sein muss. 

Deshalb sind passive Strategien, also die meisten ETFs, hier wenig sinnvoll. Einige mögen jetzt einwerfen, dass Smart Beta eine Ausnahme sei, aber tatsächlich handelt es sich dabei um individuelle Strategien auf Grundlage aktiver Entscheidungen, nicht um einen passiven Ansatz. Der Vorteil von ETFs besteht hier ausschließlich darin, dass sie von Natur aus transparent sind.
 

Natürlich ist es unrealistisch zu erwarten, dass jetzt alle Assetmanager ihre nachhaltigen Strategien zu aktiven ETFs machen, und das brauchen sie auch nicht. Von den Kosten und technischen Herausforderungen abgesehen wollen viele schlichtweg nicht vom Modell des Publikumsfonds abrücken. Aber die erfolgreicheren Manager nachhaltiger Investments werden in Zukunft vermutlich die transparentesten sein, weil sie sich offen zu den höchsten Standards bekennen.  Und sie werden stets alle Regulierungen ihrem Sinn nach einhalten, auch wenn sich deren Formulierungen ändern können.

Wie geht es weiter?

Niemand will, dass Assetmanager so große Bedenken haben, gegen Regeln zu verstoßen, dass sie einfach alle Fonds als Artikel-8-Fonds einstufen oder sogar nur als Artikel-6-Fonds, die gar keine Nachhaltigkeitsanforderungen erfüllen müssen. Schließlich müssen wir alle dafür sorgen, dass das Kapital nachhaltigen Unternehmen zufließt. Hier kommt Regulierungen eine wichtige Aufgabe zu.

Aber wenn einige Assetmanager bereit sind zu erörtern, warum ihre Portfoliopositionen nachhaltig sind, und damit umgehen können, dass eine transparente Berichterstattung immer sehr sorgfältig geprüft wird, würde dies den Markt für nachhaltige Anlagen weiterbringen, und man könnte zudem klar zwischen den einzelnen Produkten unterscheiden. Früher oder später wird es dazu kommen, weil Investoren selbst entscheiden, wie sie ihr Kapital entsprechend ihren Werten anlegen wollen. Aber dies wird ein organischer, allmählicher Prozess sein.

Gegen Greenwashing gibt es kein Patentrezept. Aber Endanlegern mehr Informationen zur Verfügung zu stellen, sodass sie sich leichter eine eigene Meinung bilden können, dürfte ein wichtiger Aspekt des Marktes für nachhaltige Investments sein und wichtig für die Bekämpfung der existenziellen Risiken, die uns alle betreffen.


 

Dieser Artikel erschien erstmals am 24. Februar 2023 auf der Website von Pensions & Investments.

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