Grüße aus Davos
- Chinas Werben um internationale Investoren kollidiert mit der Diversifizierung der Lieferkette.
- Bei der auf dem Weltwirtschaftsforum allgemein herrschenden Zuversicht für die Konjunktur werden möglicherweise die Kosten weiterer geldpolitischer Straffungen vergessen.
Der Gegensatz zwischen Volkswirten, die grundsätzlich von der Unvermeidbarkeit einer Rezession in diesem Jahr ausgehen, und Unternehmensvertretern, die häufig sehr optimistisch sind, war in Davos deutlich spürbar. Ein Grund für diese unterschiedlichen Einschätzungen könnte sein, dass die anhaltende Straffung der Geldpolitik angesichts der recht robusten Konjunktur bislang noch keine größeren Auswirkungen hatte. Zugleich haben sich die Aussichten für die Weltwirtschaft durch das Wiederanlaufen der chinesischen Wirtschaft verbessert. Mögliche Folgen der Inflation über die Rohstoffpreise werden erst für später erwartet. Bemerkenswert fanden wir auf dem Weltwirtschaftsforum (einmal abgesehen von der Aufhebung sämtlicher Hygienemaßnahmen), wie sich die Vertreter Chinas, das im letzten Jahr nicht anwesend war, bemühten, internationalen Investoren zu versichern, dass Peking den Privatsektor stärken und Eigentumsrechte schützen will. Die Frage ist allerdings, ob es dafür nicht bereits zu spät ist. Tatsächlich fanden beeindruckend viele Veranstaltungen zum Thema Diversifikation der Lieferketten (im Klartext: weg von China) statt.
Die offizielle Vertretung der USA fiel kaum auf. Weder Präsident noch Vize-Präsidentin oder Außenminister haben es in die Schweizer Alpen geschafft. Vielleicht ist das aber auch ein Zeichen für volles Vertrauen aus Washington. Das neue Interesse der USA an der Wirtschaftspolitik, das im Inflation Reduction Act zum Ausdruck kommt, wurde einstimmig gelobt. Trotz der jetzt wieder eingeschränkten Funktion des Kongresses gab es für die USA kaum PR-Arbeit zu leisten. Die Europäer haben es dagegen nicht geschafft, Einheitlichkeit zu demonstrieren. Vielleicht bringt der französisch-deutsche Gipfel am Wochenende Bewegung in die Sache.
Zentralbanker waren in Davos gefragte Gesprächspartner. Einige anfängliche und unbestätigte Gerüchte über eine ab jetzt weniger straffe Geldpolitik wurden rasch zerstreut, was uns wieder an den Anfang des heutigen Kommentars bringt. In der Geldpolitik stehen die Uhren weiter auf Straffung. Wir haben unseren Index für die Finanzbedingungen aktualisiert. Wir befürchten, dass die Fed, wenn sie ihren Kurs früher ändern will als geplant, argumentieren können muss, dass die Realzinsen bei fallender Inflation trotz stabiler Nominalzinsen weiter steigen, sodass die Nachfrage „spontan“ gedämpft wird. Die Tatsache, dass bereits jetzt niedrigere Realzinsen für risikolose Wertpapiere erwartet werden, ist dabei keine Hilfe.
Rechtliche Hinweise