Macron 2.0
- In seiner zweiten Amtszeit wird Emmanuel Macron vermutlich seinen keynesianisch-interventionistischen Kurs der letzten zwei Jahre fortsetzen, auch wenn der finanzielle Spielraum kleiner geworden ist.
- Bislang stützen stabile Daten die Argumente der Falken innerhalb der EZB.
Die Wiederwahl von Emmanuel Macron mit 58,5% der abgegebenen Stimmen hat eine wichtige Unsicherheitsquelle in Europa beseitigt. Aber die insgesamt schlechten Ergebnisse der Mainstream-Kandidaten in der ersten Wahlrunde werden seine Position wahrscheinlich schwächen. Einige Formulierungen in seiner Dankesrede – wie „niemanden auf der Strecke lassen“ oder „Frankreich in eine ökologische Nation verwandeln“ – machen klar, dass der Wandel vom „gemäßigten angebotsorientierten Reformer“ im Jahr 2017 zum „Interventionisten“, zu dem er unter dem Druck der Pandemie und der Folgen des Ukraine-Krieges gezwungen war, auch die erste Phase seiner zweiten Amtszeit bestimmen muss. Um jetzt, da die Normalisierung der EZB seine Möglichkeiten einer expansiven Fiskalpolitik im eigenen Land einschränkt, etwas finanziellen Spielraum zu gewinnen, dürfte Macron aus unserer Sicht noch stärker auf die zweite Phase der Konsolidierung in der EU drängen. Dies dürfte ein schwerer Weg werden. Paradoxerweise wird Olaf Scholz aufgrund seiner jetzt schwächeren Position (die Anerkennung nach seiner „Zeitenwende“-Rede schwindet zusehends) weniger bereit zu Kompromissen in dieser Richtung sein. Zugleich könnte die Erleichterung nach der Niederlage von Marine Le Pen, in den EU-Mitgliedstaaten den Drang mindern, diese Büchse der Pandora wieder zu öffnen. Natürlich wird Macrons Verhandlungsposition in Europa davon abhängen, ob es ihm gelingt, sich im Juni im Parlament die Mehrheit zu sichern.
Die EZB beteuert zwar stets, Wahlen zu ignorieren, dennoch muss der EZB-Rat über das französische Ergebnis erleichtert sein. Denn auch wenn „schnelle Erfolge“ in puncto einer gemeinsamen Finanzpolitik nicht in Sicht sind, muss die EU zumindest keinen weiteren „kritischen Moment“ befürchten und kann sich jetzt wieder ganz auf die Konjunkturdaten konzentrieren. Bislang sind sie recht gut: Der Flash PMI für April war viel besser als erwartet, vor allem im Dienstleistungssektor. Vielleicht ist die „Wiederöffnungsdynamik“ stärker und länger anhaltend als gedacht. Die von den Regierungen sofort eingeführten Maßnahmen zur Stützung der Einkommen und zur Abfederung der Folgen des Ukrainekrieges für die Energiepreise könnten sich als recht wirksam erweisen. Jedenfalls spielen die bislang guten Konjunkturdaten den Falken in die Hände. Wir erwarten die erste Zinserhöhung nach wie vor im Dezember, aber auch September ist ein durchaus möglicher Termin.
Maßgeblich für die europäischen Exporte im nächsten Jahr ist neben dem Ukrainekrieg auch die Erholung der chinesischen Konjunktur von ihrer derzeitigen coronabedingten Schwäche. Nach den aktuellen Daten ist die Wirtschaftstätigkeit in China stark getroffen, aber weit von den Niveaus zu Beginn der Pandemie entfernt. Dennoch muss Peking möglicherweise schmerzhafte Entscheidungen treffen.
Rechtliche Hinweise
Rechtliche Hinweise