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Weltwirtschaft

Klimawandel: Was kostet die Tatenlosigkeit?


Derzeit findet in Großbritannien die 26. jährliche Vertragsstaatenkonferenz (COP26) statt, ein Ereignis, das die Organisatoren als die „letzte Chance der Welt, den rasanten Klimawandel in den Griff zu bekommen“ bezeichnen.

Der Klimawandel ist die größte Gefahr für die Menschheit, und es muss jetzt wirklich schleunigst etwas getan werden. Es ist ganz einfach: Wenn wir den Klimawandel nicht bremsen, riskieren wir die Zukunft der Weltwirtschaft und verlieren die Chance auf nachhaltige langfristige Investmenterträge.

Und die Zeit drängt. Das Intergovernmental Panel on Climate Change 2021 (IPCC) hat klar bestätigt, dass das von der COP21 (Paris 2015) festgelegte 1,5°C-Ziel mit „sehr großer Wahrscheinlichkeit“ innerhalb der nächsten 20 Jahre überschritten wird.1

Deshalb muss etwas geschehen, und zwar jetzt. Wie UN-Generalsekretär António Guterres sagte: „Wir haben keine Zeit zu verlieren, und keine Ausrede gilt.“2

Aber die Welt denkt allmählich um. Sowohl die USA als auch China, die beiden weltweit größten CO2-Emittenten, haben sich dieses Jahr zu Netto-Nullemissionen bis 2050 und 2060 verpflichtet. Damit schließen sie zu den meisten anderen großen Volkswirtschaften auf, die dies bereits in ähnlicher Form getan haben.

Was kostet der Übergang?

Die Herausforderung der Verringerung der Treibhausgase (THG) bis auf Nettonull innerhalb der nächsten Jahrzehnte ist immens, und die Kosten sind erheblich. Die Weltwirtschaft muss von Grund auf umgestaltet werden. Das bedeutet Veränderungen für alle Haushalte, Büros, Fabriken, Dörfer, Städte und Länder auf der ganzen Welt.

Nachdem sich einige wichtige Länder strengere Ziele gesetzt haben, wurden neue Schätzungen aufgestellt, was der Kampf gegen den Klimawandel kosten wird.

Die Princeton University schätzt, dass in den USA bis 2020 2,5 Billionen US-Dollar (11% des BIP) investiert werden müssen, um wie geplant bis 2050 Netto-Nullemissionen zu erreichen. Die Europäische Kommission rechnet sogar mit notwendigen Investitionen in Höhe von 3,5 Billionen Euro (25% des BIP) in den nächsten zehn Jahren, und die Tsinghua-Universität schätzt, dass die Umsetzung von Chinas Plänen in den nächsten 40 Jahren 138 Billionen Renminbi (etwa 21,6 Billionen US-Dollar) kosten wird. Das wären 122% des BIP.3

Kürzlich warnte die Internationale Energieagentur in ihrem World Energy Outlook, dass die globale Erderwärmung sogar dann selbst die konservativsten Zielwerte des Pariser Klimaabkommens übersteigen wird, wenn alle aktuellen Versprechen der Länder planmäßig erfüllt würden.

Sie forderte schnellere Fortschritte und prognostizierte eine Erderwärmung um 2,1°C bis 2100, wenn alles so weiter läuft wie bisher. Nach ihren Analysen würde man mit den derzeit im Raum stehenden Selbstverpflichtungen bis 2030 nur ein Fünftel der Verringerung der Treibhausgase erreichen, die notwendig wäre, damit überhaupt die Chance besteht, bis 2050 bei Netto-Nullemissionen anzukommen. Die Energieagentur sagte auch, dass in den nächsten zehn Jahren bis zu 4 Billionen US-Dollar Investitionen jährlich notwendig seien, um die Lücke zu schließen – und dass der Großteil dieser Investitionen in Schwellenländer fließen müsse.4

Zu den längerfristig notwendigen Investitionen gibt es weitere Schätzungen. Beispielsweise geht Morgan Stanley davon aus, dass man 50 Billionen US-Dollar braucht, um die fünf Schlüsselbranchen (erneuerbare Energie, Elektrofahrzeuge, Wasserstoff, Kohlenstoffabscheidung und -speicherung (CCS) und Biokraftstoffe) umzugestalten.5

Investitionen statt Kosten

Alle diese Zahlen beziehen sich auf Investitionen, nicht auf Kosten. Investitionen werden die Wirtschaft ankurbeln, mit direkten positiven Auswirkungen auf die Nachfrage. Und es gibt weitere mögliche Vorteile, die allesamt interessant für Investoren sind:

  • Weniger Kosten: Investitionen in Sonnenkollektoren, die in vielen Ländern staatlich gefördert werden, haben in den letzten Jahrzehnten zu einem erheblichen Rückgang der Kosten geführt. Seit 2010 ist deren durchschnittlicher Preis in den USA um 82% zurückgegangen, auf umgerechnet 0,068 US-Dollar je Kilowattstunde (kWh). Zum Vergleich: Energie aus Kohle kostet 0,32 US-Dollar je kWh. Sonnen- und Onshore-Windenergie sind mittlerweile die kostengünstigsten Energiequellen weltweit. Durch weitere Investitionen in andere Technologien dürften sich andere mit der Energiewende verbundene Kosten verringern.6
  • Mehr Produktivität: Durch Investitionen in neue Technologien dürfte die Effizienz steigen und damit die Produktivität, sodass auch das Wirtschaftswachstum anziehen könnte.
  • Das Ende von Investitionsdefiziten und positive externe Effekte: Infrastruktur ist ein öffentliches Gut und in Schwellenländern häufig unzulänglich. Mehr Investitionen in wichtige Infrastruktur könnten positive externe Effekte haben, beispielsweise stabilere Stromleitungen.
  • Gesundheitliche Vorteile: Wenn weniger Strom aus Kohle erzeugt wird und die Zahl der Elektrofahrzeuge nennenswert steigt, wird die Luftqualität besser, und das ist gut bei einer Fülle von einschlägigen Erkrankungen wie Asthma. Durch weniger gesundheitliche Probleme dürften auch die Gesundheitskosten sinken, sodass die Nettokosten der Investitionen zurückgehen.

Und was kostet die Vermeidung von CO2

Natürlich sind die Gesamteffekte der Vorteile höherer Investitionen, die durch die geringere Produktionsleistung gemindert werden, schwer einzuschätzen. Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) kommt zu dem Schluss, dass das Welt-BIP durch eine „entschlossene Wende“ bis 2050 um 2,5% steigen könnte. Andere Einrichtungen sind weniger optimistisch. Der Internationale Währungsfonds (IWF) schätzt beispielsweise, dass das Welt-BIP bis 2050 um 1% zurückgehen wird, wenn die Erderwärmung auf nur 1,5°C begrenzt wird.7  

Das Network for Greening the Financial System (NGFS), dem Zentralbanken und Aufsichtsbehörden angehören, hat verschiedene Szenarien betrachtet und rechnet mit einem Rückgang des Welt-BIP von etwa 2% von 2050 bis 2100, wenn Netto-Nullemissionen erreicht werden. Es geht aber auch davon aus, dass eine „verzögerte Wende“, also ein späterer Beginn der Maßnahmen, viel schlimmer wäre und das BIP sich bis 2050 um etwa 5% und danach bis 2100 um etwa 2,5% verringern würde.8

Der Preis eines ungebremsten Klimawandels

Besonders spannend ist jedoch der Vergleich mit den Kosten eines ungebremsten Klimawandels. Und obgleich derartige Schätzungen sehr vage sind, sehen die aktuellen Prognosen düster aus. Lediglich ausgehend von der Umsetzung der derzeitigen Strategien erwartet das NGFS einen Rückgang der Wirtschaftsleistung von etwa 5% des Welt-BIP bis 2050. 2100 würde diese Zahl auf 13% steigen.9

Natürlich könnten künftige Klimastrategien leicht aufgeweicht oder sogar verworfen werden. Die USA haben bereits zwei Mal ihre internationalen Klimazusagen über den Haufen geworfen. Das Kyoto-Protokoll und das Pariser Klimaabkommen wurden nicht ratifiziert. Grundsätzliche Zusagen für Strategien gegen den Klimawandel sind nicht in Stein gemeißelt. Jedes Land kann in den nächsten Jahrzehnten seine Meinung ändern.

Deshalb haben einige Einrichtungen berechnet, wie hoch die BIP-Einbuße wäre, wenn der Klimawandel nicht gebremst würde. Das NGFS schätzt diese Einbuße auf über 6% des Welt-BIP bis 2050; die OECD geht von einem Rückgang um 10–12% des BIP bis 2100 aus. Und das aktuelle Worst-Case-Szenario des IWF beläuft sich auf einen Rückgang der Wirtschaftsleistung um etwa 25%.10

Schwierig ist die Einschätzung der Kosten der CO2-Vermeidung auch deshalb, weil die negativen Auswirkungen kurzfristig stattfinden, während die Vorteile erst viel langfristiger greifen. Außerdem werden sich die Kosten von Region zu Region unterscheiden. In einigen Regionen wird das BIP durch die Bekämpfung des Klimawandels stärker zurückgehen, in anderen weniger stark. Auch die Folgen des Klimawandels selbst sind nicht überall gleich.

Eine bessere Zukunft

Zweifellos sind die Kosten für den Kampf gegen den Klimawandel gigantisch. Aber wenn die Welt in dieser Notsituation nicht zusammenhält, werden die Kosten wahrscheinlich noch viel höher sein. Man denke an extreme Wetterereignisse, soziale Probleme und Einbrüche der Wirtschaftsleistung.

Im Grunde genommen ist es doch so: Wenn wir es nicht schaffen, die Welt CO2-ärmer zu machen, ist die Weltwirtschaft in Gefahr. Wenn es uns aber gelingt, steht uns und der Wirtschaft eine bessere und nachhaltigere Zukunft bevor. Durch die Energiewende dürften neue Technologie und Branchen entstehen und erfolgreich sein. Das wiederum ermöglicht zusätzliches absolutes Wirtschaftswachstum, nachhaltigere Investmenterträge und eine bessere Welt für uns alle.

 

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Eine ausführlichere Fassung dieses Artikels finden Sie hier auf Englisch.
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