Die Welt hält den Atem an
Den Umfrageplattformen zufolge ist das Rennen um die US-Präsidentschaft sehr eng. Allerdings sehen die Marktteilnehmer Trump klar vorn. Das liegt zum einen an der Entwicklung in den letzten Wochen – Harris Vorsprung ist seit Oktober allmählich geschrumpft, und Trump wird nun in fünf von sieben Swing States (ganz knapp) in Führung gesehen. Zum anderen erinnert man sich an die Jahre 2016 und 2020, als die Umfragen die Wahlabsichten für den republikanischen Kandidaten unterschätzt haben. Insgesamt scheinen sich die Investoren einig, dass eine Trump-Regierung 2.0 mehr Inflation und ein höheres Haushaltsdefizit bedeuten würden. Auch wir sind dieser Meinung. Dann würden die langfristigen US-Renditen steigen, und die Marktteilnehmer würden sich auf eine dynamischere Geldpolitik der Fed einstellen, auch wenn die Konjunkturdaten sich nicht nennenswert änderten.
Wir haben noch einmal die bei diesen Wahlen relevanten wirtschaftspolitischen Themen untersucht (Regulierung, Immigration, Handel, Fiskalpolitik sowie der mögliche Verlust der Unabhängigkeit der Fed) und dazu eine bemerkenswerte Analyse des Peterson Instituts herangezogen, das sich mit drei dieser fünf Themen näher befasst hat. Die Analyse bestätigt weitgehend unsere Einschätzung, dass eine Anhebung der US-Zölle um 10% für sich genommen dem Rest der Welt keine zu großen Probleme verursachen würde. Das gilt vor allem dann, wenn die Geldpolitik ihre Stabilisierungsaufgabe erfüllen darf. Das hieße eine straffere Geldpolitik in den USA und eine lockerere in den anderen Ländern. Der Theorie, dass 60% Zölle auf chinesische Importe überwiegend günstig wären, stimmen wir dagegen nicht zu. Wir glauben nicht, dass der Renminbi in diesem Fall einigermaßen stabil bliebe. Der Verlockung, die chinesische Währung deutlich abwerten zu lassen, könnte Peking wohl kaum widerstehen, und dies hätte gravierende Auswirkungen für Europa. Vor dem Hintergrund, dass der US-Anleihenmarkt maßgeblich für die Renditen auf der ganzen Welt ist, haben wir außerdem untersucht, welche Folgen eine noch stärkere Verschuldung der USA hätte. Nach unserer Analyse sollte sich die EZB darauf einzustellen, gegebenenfalls reagieren zu müssen.
Auch wenn die US-Wahlen zurzeit das wichtigste Thema sind, werfen wir einen Blick auf den britischen Haushalt, der letzte Woche vorgestellt wurde. Die Märkte haben darauf nicht sehr stark reagiert, aber unserer Sicht hat Großbritannien die Chance verpasst, Fiskal- und Geldpolitik optimal zu gestalten.
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