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Königliche Kasse und meinungsschwache Anleger


Die Märkte sind nicht mehr so volatil wie vor zwei Wochen. Es sind auch keine Banken mehr abgestürzt. Die Anleihenrenditen sind niedrig, und Aktien haben sowohl im März als auch seit Jahresbeginn zugelegt. Aber es fehlt an starken Überzeugungen. Auf jeden Bullen kommt ein Bär. Zum Glück erleben wir aber keine Rezession, und das nominale BIP wächst noch immer stark. Nach dem jahrelangen Quantitative Easing und dem Coronaschock ist die Weltwirtschaft aber durchaus noch für Überraschungen gut. Wie schnell die Dinge aus dem Ruder laufen können, haben wir gerade erst gesehen. Aber wir sahen auch, dass Behörden und Notenbanken die nötigen Gegenmittel haben. Am Ende könnten die Märkte weiter leicht steigen, wie schon seit Jahresbeginn. Unterdessen halten die Anleger viel Kasse, um in Schwächephasen kaufen zu können.

Cash is king

Noch immer leidet die Anlegerstimmung unter der unsicheren Wirtschaftslage und den Zweifeln an der Finanzstabilität. „Cash is King“ heißt die Devise. Manche Märkte – beispielsweise Unternehmensanleihen – scheinen nach wie vor günstig bewertet, aber die Zweifel am Bankensektor und die strengeren Kreditbedingungen machen Sorgen. Bei den recht günstigen nicht amerikanischen Aktien muss man den weltweiten Gewinnausblick und die Korrelation mit den teuren US-Aktien im Blick behalten. In den USA selbst sind die Bewertungen zuletzt wieder gestiegen, auch weil hochwertige Wachstumstitel als defensiv gelten. Es gibt zwar einige interessante Langfristthemen, aber der kurzfristige Gewinnausblick bleibt schwierig. Weniger denn je ist man sich einig darüber, wie es weitergeht.

Geldmärkte

Risikoarme Geldmarktanlagen sind auch wegen ihrer hohen Zinsen so stark gefragt. Dreimonatige US-Schatzwechsel bieten zurzeit etwa 4,4%, und Schatzwechsel aus dem Euroraum immerhin noch 3,0%. Das französische Sparprodukt Livret A verzinst sich mit 3,0%. Außer bei sehr großen Guthaben sind die Einlagenzinsen der Banken weit davon entfernt. Certificates of Deposit (CDs) amerikanischer Banken verzinsen sich unterdessen sehr unterschiedlich; vermutlich kommt es darauf an, wie dringend die Emittenten Geld brauchen. Ausgewählte Institute zahlen für ihre CDs aber über 5%. Gekauft werden sie dann von Geldmarktfonds, die in den letzten Jahren hohe Zuflüsse verzeichnet haben.

Von Banken zu Fonds

Man könnte versucht sein, die Umschichtungen zwischen Bankguthaben, geldmarktähnlichen Anlagen und anderen Finanzinstrumenten mit einem einfachen Modell zu erklären. Fest steht, dass die Bankguthaben in den USA abnehmen und die Geldmarktfonds wachsen. Die Coronazeit brachte große Liquiditätsspritzen, sodass zunächst beides zulegte. Als die Zinsen dann allmählich stiegen und die Fed die Geldmenge nicht mehr so stark ausweitete, gingen die Bankguthaben langsam, aber sicher wieder zurück. Zuletzt verstärkte sich die Entwicklung; in den USA kam es zu einer regelrechten Flucht aus Konten bei kleineren Banken. Stattdessen wurde immer mehr in Geldmarktfonds investiert.

Steigende Zinsen, wachsende Geldmarktfonds

Das Investment Company Institute (ICI) veröffentlicht Zeitreihen und aktuelle Daten zu amerikanischen Geldmarktfonds. Wer ein Bloomberg-Terminal hat, kann sie als „MMFA Index“ abrufen. Die höheren Renditen von Treasury Bills und anderen kurzfristigen Wertpapieren bewirken hohe Zuflüsse in Geldmarktfonds. In Zeiten wie diesen ist das verständlich, zumal das Vertrauen in die Banken gelitten hat. Interessant sind aber auch die langfristigen Schwankungen der Geldmarktfondsanlagen. Meist ist das Fondsvolumen mit den Zinsen korreliert. Seinen Höchststand erreicht es in der Regel erst, wenn die Fed schon mit Zinssenkungen begonnen hat. Die Geldmarktfondsanlagen sind auch ein wichtiger Risiko­indikator, fallen die Höchststände doch oft mit den Tiefstständen des Aktienmarktes zusammen. So war es 2002 und 2008 und zum Teil auch in der Baisse zu Beginn der Pandemie.

Bereit zum Kauf?

Die Geldmarktfondsanlagen werden also wohl erst dann in risikoreichere Titel umgeschichtet, wenn die Leitzinsen schon wieder fallen und Aktien noch mehr verloren haben. Bei einer Rezession wäre beides der Fall. Die Fed würde die Zinsen nach deren Beginn weiter senken, aber die Aktienmärkte würden sich erst wieder erholen, wenn die Leitzinsen sehr viel niedriger sind. Erst dann werden Geldmarktfondsinvestoren wieder in Aktien gelockt. Dank ihrer hohen Kassebestände können sie dann günstig kaufen.

Eher hohe Kurse

Anleihen wie Aktien notieren zurzeit eher am oberen Rand ihrer Handelsspannen seit Oktober. Ich bin sicher, dass sich viele über die stabilen Erträge trotz immer weiter steigender Zinsen wundern, zumal der Inflations- und Wachstumsausblick keineswegs überragend ist und das Weltfinanzsystem gerade erst heftig durchgerüttelt wurde. Eine Erklärung wäre die gemäß Datenlage überraschend stabile Weltwirtschaft einschließlich des wieder höheren Wachstums in China. Die Notenbanken scheinen da machtlos und dürften am Ende das Nachsehen haben. Am Markt rechnet man zurzeit mit Zinssenkungen der Fed um mindestens 50 Basispunkte noch in diesem Jahr. Ohnehin ist das 2. Quartal eines Jahres für US-Aktien meist gut. In zwölf der letzten 20 Jahre hat der S&P 500 Index im 2. Quartal zugelegt. Ob es dieses Jahr genauso kommt, hängt – wie gesagt – von den Daten ab.

Nachwirkungen

Vor einigen Wochen schrieb ich einen Artikel über den derzeitigen Konjunkturzyklus und sprach darüber auch vor Kunden. Ich beschrieb den Zyklus als „nicht normal“. Auf jahrelanges Quantitative Easing mit Zinsen von null folgten massive Verwerfungen durch Corona, und jetzt erleben wir das Gegenteil: einen Inflations- und Zinsschock. Hoffen wir, dass die Anpassungen des letzten Jahres ausreichen und sich die Dinge normalisieren können. Der übertriebene Liquiditätszuwachs der letzten Jahre strahlt noch immer auf die Gegenwart aus. Das sieht man etwa am hohen nominalen BIP-Wachstum. Laut Bloomberg ist das nominale BIP 2021 und 2022 zusammen um 20% gestiegen. Im Verhältnis zum nominalen BIP ist das hohe Geldmarktfondsvolumen dann auch gar nicht mehr so ungewöhnlich, ebenso wie die Gewinne je Aktie. Bald beginnt die Berichtssaison für das 1. Quartal. Sie wird Aufschluss darüber geben, wie stark die Gewinne fallen.

Zurück zu den Inflationszahlen

In Zeiten wie diesen sind klare Marktmeinungen ein knappes Gut. Unser Anleihenteam hat gerade erst seine vierteljährliche Strategieanalyse abgeschlossen. Es rechnet mit einer Seitwärtsbewegung der Staatsanleihenrenditen und anhaltend weiten Credit Spreads. Am interessantesten scheinen Carry-Strategien. Um optimistisch zu sein und einen starken Anstieg des S&P 500 oder eine US-Zehnjahresrendite deutlich unter 3,5% zu erwarten, müssen wir von einem starken Inflationsrückgang im 2. Quartal ausgehen, einer Zinspause der Fed und einer positiven Marktreaktion auf all das.

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