Einkehrende Ruhe
- Sollten die monatlichen Kerninflationszahlen für das erste Quartal 2023 nur um 0,1 Prozent pro Monat über dem historischen Durchschnitt liegen, wird die jährliche Inflationsrate deutlich über fünf Prozent bleiben.
- Wenn sich die Inflationsraten in Grenzen und sich die Zentralbanken zurückhalten, könnte uns ein unaufgeregtes Jahr bevorstehen.
- Entspannung wäre gut, weil die Märkte bessere Investitionschancen bieten. Weniger Volatilität sollte eine bessere Performance und Vermögenszuwachs bedeuten.
Die nachlassenden Inflationsdaten stärken die Zuversicht, dass die Zinssätze nicht weiter drastisch steigen werden. Das Umfeld für festverzinsliche Wertpapiere bleibt daher stabil. Insgesamt könnte sich ein gelasseneres makroökonomisches Umfeld positiv für Anlagerenditen auswirken.
Trotzdem erwarten wir weitere Zinserhöhungen
Die Daten zum US-Verbraucherpreisindex (CPI) für Dezember 2022 hielten die Marktrallye aufrecht. Es besteht die Möglichkeit, dass die Federal Reserve (Fed) ihren Leitzins nicht über fünf Prozent anheben muss, weil die Marktpreise seit Anfang November stabil geblieben sind. Für Rentenmärkte ergibt sich daher nach wie vor ein positives Umfeld. Nun richtet sich der Blick auf die Fed-Sitzung am 01. Februar. Die Marktdebatte verlagert sich von der Frage "wie viele Zinserhöhungen noch?" zu "wann wird die Fed die Zinsen senken?".
Besser langweilig als überraschend
Historische Berechnungen zeigen, dass der monatliche Anstieg der Inflationsraten tendenziell in der ersten Jahreshälfte höher ist. Ein Blick auf das Jahr 2022 bestätigt dies, denn der größte Teil des Inflationsschocks trat in den ersten Monaten des Jahres auf. Gegen Ende des Jahres entsprach der monatliche Anstieg des Verbraucherpreisindex viel eher den historischen Durchschnittswerten. Das soll nicht heißen, dass sich die Inflation normalisiert hat, aber wenn die Inflationsberichte den Erwartungen nahekommen, atmen die Märkte auf.
Auf das erste Quartal kommt es an
Auch wenn die jährlichen Inflationsraten weiter sinken dürften, besteht weiterhin das Risiko, dass dieser Trend insbesondere auf der Kerninflationsstufe ins Stocken geraten könnte. Sollten die monatlichen Kerninflationszahlen für das erste Quartal 2023 nur um 0,1 Prozent pro Monat über dem historischen Durchschnitt liegen, wird die jährliche Inflationsrate deutlich über fünf Prozent bleiben.
Selbst wenn sich die Inflationsentwicklung beruhigt, bleibt weiterhin das Risiko bestehen, dass es zumindest bei der Kerninflation noch zu Überraschungen nach oben kommen kann. Das Hauptrisiko besteht darin, dass die Energiepreise wieder ansteigen - was kurzfristig geschehen könnte, wenn die zweite Hälfte des Winters kälter ausfällt.
Kurze Laufzeiten bleiben die bevorzugte Strategie für festverzinsliche Wertpapiere
Die Fed wird sich wahrscheinlich bis zum Ende des ersten Quartals zurückhalten und sich gegen den Gedanken an Zinssenkungen in 2023 wehren. Das spricht weiterhin für den Handel mit kurzen Laufzeiten gegenüber langen Laufzeiten. Dasselbe gilt auch für Europa, wo das längere Ende der Renditekurve durch die bestehende negative Inflationsdynamik und die Tendenz der Europäischen Zentralbank (EZB) zur Verringerung ihrer Bilanz gefährdet ist. Die EZB wird die Zinssätze erhöhen und der Inflationsrückgang somit eintreten, nach dem in den USA ein Abschwung zu beobachten ist. Der Markt hat sich noch nicht ganz auf eine ausgeglichene Handelsspanne für deutsche Bundesanleihen und andere Anleihenmärkte eingestellt, wie es in den USA der Fall zu sein scheint.
Die Entwicklung des Arbeitsmarktes ist relevant
Neben der Inflation ist der Arbeitsmarkt der Schlüssel für jede Änderung der Fed-Politik. Dieser bleibt mit einer Arbeitslosenquote von 3,5 Prozent weiterhin robust. Es gibt einige Anzeichen für eine Verlangsamung. Umfragen des Institute for Supply Management (ISM) haben einen Rückgang der Beschäftigungsindizes ergeben. Die durchschnittliche Wochenarbeitszeit, gemessen an der Anzahl der geleisteten Arbeitsstunden, ist in den letzten Monaten stetig gesunken. Auch das durchschnittliche Einkommenswachstum schwächt sich ab.
Als die Wirtschaft im März 2020 lahm lag, kündigten Arbeitnehmer ihre Arbeit in Hotels, Restaurants und Bars. Sicherheitsbedenken und finanzielle Sorgen können Gründe sein, warum Arbeitnehmer dieser Branche auch dauerhaft den Rücken gekehrt haben. Höhere Löhne locken die Menschen allerdings zurück. Der durchschnittliche Verdienstzuwachs im Freizeit- und Gastgewerbesektor liegt über dem Lohnzuwachs in der Gesamtwirtschaft. Zusätzlich besteht eindeutig die Nachfrage nach Hotelunterkünften und Gaststätten. Die aktuelle Beschäftigungssituation im Freizeit- und Gastgewerbe reflektiert strukturelle Probleme auf den allgemeinen Arbeitsmärkten. Das hohe Lohnwachstum spiegelt die starke Nachfrage nach Arbeitskräften und das begrenzte Angebot wider. Die Politik muss sich darum kümmern, die Menschen wieder in den Arbeitsmarkt zu integrieren, um eine übermäßige Lohninflation in Zukunft zu vermeiden.
Entspannung
Wenn sich die Inflationsraten in Grenzen und sich die Zentralbanken zurückhalten, könnte uns ein unaufgeregtes Jahr bevorstehen. Einkehrende Ruhe wäre nach der Pandemie 2020, dem verzweifelten Aufschwung 2021 und dem kriegsbedingten Inflationsschub 2022 sehr willkommen. Entspannung wäre gut, weil die Märkte bessere Investitionschancen bieten. Weniger Volatilität sollte eine bessere Performance und Vermögenszuwachs bedeuten.
Rechtliche Hinweise