Ausblick für Großbritannien: Schwierige Fahrwasser
Im Überblick
- Großbritannien dürfte noch dieses Jahr in die Rezession fallen. Insgesamt wird das BIP 2022 um 4,3% steigen, 2023 um 0,7% schrumpfen und 2024 wieder um 0,8% steigen.
- Die Inflation dürfte 2023 allmählich fallen und sich 2024 dem 2%-Ziel der Bank of England nähern.
- Die Leitzinsen werden mit 4,25% im 1. Quartal 2023 voraussichtlich ihr Maximum erreichen. Wir glauben, dass die Bank of England im 4. Quartal 2023 und im Jahr 2024 die Zinsen senkt, bis auf 3% zum Jahresende.
- Die politischen Entwicklungen bleiben wichtig. Vor allem die Verhandlungen zum Nordirlandprotokoll bleiben ein Risikofaktor.
Erst Rezession, dann schwache Erholung
Seit Monaten sind die britischen Wirtschaftszahlen alarmierend. Der jüngste Rückgang des BIP im 3. Quartal, auch wegen des zusätzlichen Feiertags, dürfte den Beginn der Rezession markieren. Maßgeblich sind der fallende Konsum sowie der Rückgang der Unternehmens- und Wohnungsbauinvestitionen. Wir rechnen damit, dass die Rezession etwa vier Quartale dauert und die Wirtschaft in dieser Zeit um 1% schrumpft. Danach erwarten wir einen Inflationsrückgang. Der Druck auf die Realeinkommen dürfte nachlassen, und der Konsum wird sich voraussichtlich schwach erholen. Der Abschwung zeigt sich deutlich bei einem Vergleich des BIP-Niveaus (Abbildung 8). Die Wirtschaftsleistung bleibt etwa so hoch wie vor der Pandemie. Für 2022 rechnen wir mit 4,3% Wachstum, für 2023 mit einem BIP-Rückgang um 0,7% und für 2024 mit 0,8% Wachstum. Die Konsenserwartungen betragen +4,2%, ‑0,5% und +0,8%.
Die Arbeitskräftenachfrage scheint jetzt auch zu fallen, da sie der Konjunktur mit einer gewissen Verzögerung folgt. Wegen des ebenfalls abnehmenden Arbeitskräfteangebots blieb die Arbeitslosenquote aber niedrig, sodass noch immer Personalmangel herrscht. Wir erwarten für 2023 und 2024 einen allmählichen Anstieg der Arbeitslosigkeit auf etwa 5% Ende 2024. Die Arbeitslosenquote dürfte 2022 im Schnitt 3,6% betragen, gefolgt von 4,5% im Jahr 2023 und 4,9% im Jahr 2024.
Nachlassende Folgen des Energiepreisanstiegs und straffere Fiskalpolitik
Die Inflation ist stark gestiegen und beträgt jetzt 11,1%. Wir rechnen mit einem leichten Rückgang, wobei steigende Lebensmittelpreise bis ins Jahr 2023 hinein für eine zweistellige Teuerung sorgen dürften. Die Entscheidung der Regierung, den Energiepreisdeckel über März 2023 hinaus zu verlängern, dürfte die Inflation 2023 dämpfen. Für 2022 rechnen wir mit einer durchschnittlichen Verbraucherpreisinflation von 9,1%, gefolgt von 7,6% im Jahr 2023 und 2,8% im Jahr 2024. Die Konsensprognosen betragen 9%, 6,3% und 2,5%.
Die Regierung plant in den nächsten sechs Jahren eine drastische Haushaltskonsolidierung mit einem Nettovolumen von 62 Milliarden Pfund, und das trotz Energiepreisdeckel und Rezession. Das Defizit wird durch Ausgabenkürzungen und Steuererhöhungen um 55 Milliarden Pfund gesenkt. Der Energiepreisdeckel und andere Hilfen für die privaten Haushalte sorgen dieses Jahr aber für einen positiven Fiskalimpuls, anders als die geplante Straffung im März. Nächstes Jahr wird die Fiskalpolitik aber nicht so stark gestrafft. Der Großteil der Kürzungen findet in den Jahren 2024 und 2025 und später statt.
Bank of England erhöht als Erste – und senkt als Erste
Die Bank of England hat ihren Leitzins um 300 Basispunkte erhöht, doch scheint jetzt ein Ende absehbar. Für Dezember und Februar rechnen wir mit weiteren Zinserhöhungen um 50 Basispunkte, und für März erwarten wir 25 Basispunkte auf dann 4,25%. Da die Outputlücke immer größer wird und die Inflation am Ende des Prognosezeitraums wohl unter den Zielwert fällt, dürfte die Bank of England ihre Geldpolitik dann lockern. Vom 4. Quartal 2023 bis zum 4. Quartal 2024 dürfte sie die Leitzinsen jedes Quartal um 25 Basispunkte auf am Ende 3% senken. Der genaue Zeitplan dürfte von der Arbeitsmarktentwicklung abhängen.
Countdown zu den Unterhauswahlen 2024
Die Europäische Union und Großbritannien verhandeln wieder über das Nordirlandprotokoll, da die Regierung eine erneute Wahl in Nordirland verhindern möchte. Die zweiten Wahlen zum nordirischen Parlament erwarten wir dennoch für spätestens April, da die Regierung das derzeitige Patt kaum auflösen kann. Außerdem stehen im Mai 2023 Kommunalwahlen an, und spätestens 2024 wird das Unterhaus neu gewählt. Nach den derzeitigen Umfragen dürfte Labour gewinnen. Anders als bei früheren Wahlen sind aber beide Parteien gezwungen, sich zu mäßigen – und sie müssen auch wieder eine orthodoxere Wirtschaftspolitik vertreten. Von allen Unterhauswahlen der letzten zehn Jahre dürften die nächsten Wahlen daher den geringsten Schaden für die Wirtschaft anrichten.
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